Soll man Patienten mit MS gegen H1N1-v impfen?
Wir werden immer wieder gefragt, ob man Patientinnen mit MS impfen soll. Kürzlich wollte eine Kollegin wissen, ob sie eine schwangere Patientin mit MS gegen die pandemische Grippe impfen soll. Weil diese Fragen von allgemeinem Interesse sind, geben wir unsere Antwort wieder.
Sehr geehrte Frau Kollega
Besten Dank für Ihre Anfrage. Der Vollständigkeit halber ergänze ich Ihre Fragestellung (1) noch mit drei weiteren Fragen, die uns auch immer wieder gestellt werden (2-4).
Fragestellungen:
- Soll man schwangere Frauen mit MS gegen pandemische H1N1 impfen
- Ist es ratsam – wenn verfügbar – für diese Indikation einen nicht adjuvantierten Impfstoff zu verwenden
- Soll man Patienten mit MS generell gegen H1N1 impfen
- Gelten diese Antworten auch für andere (Auto)immunerkrankungen?
Was wissen wir (in diesem Zusammenhang)
- Patienten mit MS habe ein gewisses Risiko, bei einer Grippe aufgrund der immunologischen Phänomene einen MS-Schub zu entwickeln
- Das Risiko unter einer immunmodulierenden Therapie dürfte geringer sein, doch Studien, welche dies belegen sind uns nicht bekannt
- Impfungen machen grundsätzlich eine Immunstimulation. Diese fällt jedoch milder aus als die Immunstimulation unter einer Erkrankung. Unseres Wissens gibt es keine Hinweise, wonach eine Impfung einen Krankheitsschub auslösen soll.
- Schwangere Frauen haben unbehandelt eine hohe Mortalität bei Infektionen mit H1N1v (Zahlen ungenau, Eine von 20 Schwangeren in USA gestorben, 30% hospitalisiert).
- Ein Impfstoff macht grundsätzlich eine Immunstimulation. Das muss er. Ein adjuvantierter Impfstoff unterscheidet sich von einem nicht adjuvantierten Impfstoff in der Methode der Immunstimulation. Ohne Adjuvans muss mehr Antigen beigefügt werden, damit genügend stimuliert wird. Ob sich die Imfpstoffe bezüglich Nebenwirkungen unterscheiden ist nicht untersucht, es ist aber nicht grundsätzlich davon auszugehen.
- Wir wissen nicht, wie viele Menschen empfänglich sind für eine H1N1 Infektion. Wir gehen aber davon aus, dass Menschen unter 30-35 Jahren wohl meist keinen Immunschutz haben gegen H1N1v. In den folgenden Jahren dürften die meisten noch an der Infektion erkranken.
Was sind unsere Empfehlungen?
Für die genannten Fragestellungen 1-4 gibt es keine klaren Daten. Wir müssen – wie immer in solchen Situationen – Nutzen und Risiken abwägen. Die Fragen sollen mit den Betroffenen diskutiert werden, doch aus ärztlicher Sicht sollte eine Empfehlung folgen.
Wir schlagen folgende Empfehlungen vor:
- Eine schwangere Frau mit MS soll geimpft werden. Unbehandelt ist das Risiko einer Infektion in der SS für Kind und Mutter gross und überwiegt alle anderen Risiken bei weitem. Wie weit sich das Risiko durch eine rasche Therapie senken lässt ist unsicher. Das theoretisch vorhandene Risiko einer Immunstimulation ist im Vergleich dazu verschwindend klein. Das Risiko einer Immunstimulation ist grösser von einer Grippe (die es zu verhindern gilt) als von der Impfung.
- Der Einsatz von nicht adjuvantiertem Impfstoff für Schwangere ist nicht notwendig Es gibt keine Daten, welche uns zeigen, dass ein nicht adjuvantierter Impfstoff besser wäre als ein adjuvantierter Impfstoff. Um zu wirken, muss der Impfstoff eine Immunantwort erzeugen. Diese kann theoretisch einen MS-Schub auslösen. Ohne Immunstimulation keine Impfwirkung.
- Wir würden Patienten mit MS impfen. Allerdings finden wir es wichtig, dass man auch erklärt weshalb und dass man ein theoretisches Risiko einer Schubauslösung diskutiert. Wir befürworten die Impfung, weil wir davon ausgehen, dass dies für die Grunderkrankung weitaus das kleinere Übel darstellt als eine Erkrankung.
- Die genannten Empfehlungen würden wir für andere (Auto-)Immunerkrankungen genauso machen Die Datenlage bezüglich anderen Erkrankungen (z.B. Rheumatoide Arthritis, Crohn) dürfte noch magerer sein. Dennoch gelten die allgemeinen Überlegungen auch hier.
Team Infektiologie / Spitalhygiene, Kantonsspital St. GallenSiehe auch:
- Swiss Medical Forum: Pandemische H1N1 Impfung (Hoffmann et al., 29.10.09)