Pandemische Impfung: Kann es nun losgehen?

Für morgen Freitag, 30. Oktober, ist eine Pressekonferenz des BAG angesagt. Angekündigt ist die längst erwartete Zulassung der pandemischen Impfstoffe H1N1 in der Schweiz durch Swissmedic. Nun kann es auch in der Schweiz losgehen. Dringlich, wie wir meinen…

Pandemieimpfung bald verfügbar, ja und?
Wenn man etwas herumhorcht, bekommt man nicht gerade den Eindruck, dass wir mit einem Ansturm von Menschen rechnen müssten, die sich gegen die mexikanische Grippe H1N1 impfen lassen möchten. Allgemein wird immer wieder gesagt, es handle sich um eine harmlose Grippe, man konnte schon lesen, harmloser als eine normale saisonale Grippe. Grosse Teile der Bevölkerung würden sich heute nicht gegen H1N1 impfen lassen.

Täuscht sich der Laie?
Wir können gut nachvollziehen, dass angesichts der aktuellen Berichterstattung eine grosse Verunsicherung herrscht. Medien berichten so unterschiedlich über die Ereignisse, dass es dem Laien schwer fallen muss, sich dabei zu orientieren. Dabei haben es Verschwörungstheorien (z.B. "Panik mit Toten geschürt") und Anti-Mediziner-Berichte besonders leicht, von Massen-Medien reisserisch aufgemacht zu werden. Kein Wunder, dass das die Deutsche Pandemieimpfaktion – seit knapp 2 Wochen schleppend anläuft.

Ist die Pandemie überhaupt da?
Die meisten glauben auch, dass die H1N1 Pandemie eine Panikmache war, die schon längst vorbei ist. Doch dem ist nicht so. Weil wir Mitte August von so vielen Fällen überrannt wurden, hat man in der Schweiz und anderswo aus Kostengründen aufgehört, jeden Fall mit einem Virusabstrich abzuklären.  Auch werden einzelne Fälle nicht mehr gemeldet. Damit wird das Problem weniger gut sichtbar. Aber ist es damit auch beseitigt?

Die Pandemiewelle beginnt erst jetzt
Dabei war alles, was wir in den letzten Monaten gesehen haben, nur eine Serie von Einzelfällen und kleinsten Ausbrüchen. Das war noch gar keine Panemie-"Welle". Doch langsam nehmen auch die Klicken auf Bild zum Vergrössern Sentinella-Meldungen zu. Wir sehen bei uns in den ausgewählten Fällen (z.B. Spitalpersonal), wo noch Abstriche gemacht werden, in den letzten Tagen eine Zunahme von Verdachts- und bestätigten Fällen. 
Und offenbar sehen unsere Kollegen in Deutschland einen deutlichen Anstieg der H1N1 Infektionen. In den USA kam es in de letzen 3 Wochen zu einem explosionsartigen Anstieg von Grippefällen (s. Abbildung, Klick auf Bild für Vergrösserung). Die entsprechnde Darstellung der Grippe-Verdachtsfälle zeigte vergangene Woche bereits eine Fallzahl, die höher lag als während der für die saisonale Grippe schweren Saison 2007/2008. Und wenn heute in einer Schule Lehrer und 30 Kinder krank werden, so spricht fast niemand darüber, und 20 Minuten zitiert die Beruhigung des Kantonsarztes : «Die Grippe verläuft meist harmlos.»

Grippe nur bei jungen Menschen harmlos
Wie harmlos ist denn diese Pandemische Grippe? Effektiv verläuft die Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen völlig harmlos ab. Kein Grund zur Panik. Die ersten Zahlen aus den USA zeigten, dass es in dieser Gruppe von Erkrankten gerade mal auf ca. einen Todesfall auf 10’000 Erkrankte gab (s. Präsentation, Daten CDC, Folie 14). Und da diese Altergruppe bisher die am meisten von der Grippe betroffene Gruppe war, fanden sich insgesamt wenige Komplikations- und Sterberaten. Doch betrachtet man die Letalität in der höheren Altersgruppe (gleiche Folie 14) so erkennt man, dass die Todesrate bei 25-65 Jährigen um 1-3% liegt, was wiederum erklärt, weshalb die grösste Zahl der Todesfälle in dieser Altersgruppe liegt.

Impfung ist einzige vernünftige Antwort auf pandemische Bedrohung: 
Auch wenn in den USA schon 5000 Menschen an H1N1 gestorben sind, so ist diese Zahl noch nicht riesig. Doch die Verstorbenen – und darin unterscheidet sich die Pandemie von der saisonalen Grippe – sind mit 25-50 Jahren in einem Alter, in welchem Todesfälle bei saisonaler Grippe kaum auftreten. Doch eine Virusinfektion – das wissen wir seit Jahrzehnten – kann am besten mit einer Impfung verhindert werden.

Impfstoff muss wirken – damit schmerzt er auch
Die z.T. polemisch geführte Diskussion in Deutschland um die verschiedenen Impfstoffe ist peinlich. Ob ein Impfstoff mit oder ohne Adjuvantien hergestellt wird, ist nicht die Frage. In jedem Fall muss ein Grippeimpfstoff – wenn er seine Sache gut machen soll – eine deutliche Stimulation des Immunsystems verursachen. Ob dies mit einer geringen Menge Virus mit einem Adjuvans erfolgt oder mit einer 4-8x höheren Menge Virus, ist irrelevant. Wenn man sich  nun Sorgen macht wegen der Immunstimulation, so ist die Frage der Methode – mit oder ohne Adjuvans – nebensächlich. Doch eines wissen wir sicher: Viel stärker als eine Immunstimulation durch eine Impfung ist die Stimulation des Immunsystems durch eine Grippeerkrankung. Wenn wir uns Sorge machen wegen der Immunstimulation, müssten wir vor allem die Gripperkrankung selbst verhindern.

Und wenn wir zu spät kommen?
Es ist durchaus möglich, dass für viele Bewohner in der Schweiz die Impfung zu spät kommt. Wenn wir die allgemeine Bevölkerung erst anfangs Dezember impfen können so wird für die letzten die genügende Immunantwort erst Ende Jahr vorhanden sein. Wenn die Grippe sich so ausbreitet, wie es nun der Anschein macht, so brauchen diese Menschen eine gute Therapie. Wir haben in unserer St. Galler Therapieanleitung – im Gegensatz zu den offiziellen Empfehlungen – immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass eine Frühtherapie zwingend am Anfang eingesetzt werden sollte und dass die komplizierten Verläufe erst nach 3-4 Tagen erkannt werden, wenn es für die Therapie zu spät ist.
Unterdessen bestätigt auch die WHO diesen Zusammenhang. Wenn Therapie dann früh, bevor man erkennen kann, ob ein komplizierter Verlauf eintritt. Damit ist es aber sinnlos, die Therapie auf Personen mit einem komplizierten Verlauf zu beschränken, wie dies die SGInf in den vom BAG publizierten Empfehlungen (3.8.09) vorschlägt. Wir halten daher an unserer Therapieempfehlung fest und würden jeden Fall einer H1N1 Infektion auch beim gesunden Erwachsenen behandeln. Allerdings besteht nach wie vor keine Leistungspflicht für diese Indikation.

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