Tamiflu-Resistenz: Kaum vermeidbar – nicht voraussagbar
Bis eine Impfung gegen H1N1 verfügbar ist, werden die Neuraminidasehemmer, insbesondere Oseltamivir (Tamiflu) die einzige wirksame Methode gegen die Pandemie bleiben. Umso mehr machen wir uns Sorgen, das Virus könnte gegen Tamiflu resistent werden. Unberechtigt?
Tatsächlich konnte man nach dem hervorragenden Referat von Maria Zambon diesbezüglich etwas aufatmen. Nicht, dass Tamiflu-Resistenzen nicht entestehen können, aber gemäss den von ihr präsentierten Daten können wir die Entstehung von Tamiflu-Resistenzen fast nicht beeinflussen.
Hüte dich vor prophylaktischer Dosis
Fast nicht. Die einzige Situation in der wir bisher befürchten müssten, dass wir mit der Tamiflu-Abgabe eine Resistenz hervorrufen, ist die Prophylaxe: Die einzigen H1N1-Viren, die bisher resistent wurden (weltweit 20 Fälle bis zum ICAAC), wurden dies praktisch immer in der Situation einer prophylaktischen Gabe von Tamiflu (meist post-expositionell). Angesichts der aktuellen Situation ist es kaum angezeigt, eine Prophylaxe zu verabreichen (vgl. auch unseren Bericht). Das Problem dabei ist, dass die Prophylaxe in halber Dosis (75mg einmal täglich) verabreicht wird.
Wehalb diese Zuversicht
Bisher gibt es nur eine wesentliche Punktmutation (H275Y), welche das Virus gegen Tamiflu (nicht aber gegen Relenza!) resistenz macht. Diese Mutation findet sich im pandemischen H1N1 nicht. Doch in der letzten Grippesaison, hatten über 90% der bei uns zirkulierenden saisonalen H1N1 Viren diese Mutation. Zambon hat sehr schön demonstriert, weshalb es zu dieser Resistenzbildung beim saisonalen H1N1 gekommen ist. Tatsächlich hat diese Resistenzbildung – im Gegensatz zu unserer allgemeinen Lehrmeinung bei z.B. HIV und bakteriellen Resistenzen – nichts mit dem Tamiflu Konsum zu tun (Hauge et al, Virology, 2009). In Japan, wo Tamiflu seit Jahren kiloweise verfuttert wird, hat das Problem zum Beispiel noch nicht. Die Resistenzen traten in Regionen auf, wo gar kein entsprechender Selektionsdruck bestand.
Resistenzentwicklung ist meist Schicksal
Effektiv ist es so, dass die Punktmutation H275Y das Influenza-Virus zu einem schlecht replizierbaren Virus macht. Aber eben nur das H1N1 Influenzavirus, wie es vor ein paar Jahren bei uns war. H275Y ist genau an der Bindungsstelle des Tamiflu an der aktiven Stelle der Neuraminidase. Die Mutation verändert die aktive Stelle an der Neuraminidase, dass diese nicht mehr genügend aktiv ist, das Virus sich nicht gut vermehren kann. Doch mit dem ganz normalen genetischen shift, der die Influenzaviren über die Jahre langsam verändert, kam es zu Veränderungen and der Oberfläche der Neuraminidase. Diese Veränderungen waren gar nicht durch den Selektionsdruck der Neuraminidasehemmer hervorgerufen, wie wir das für die kompensatorischen Mutationen im Protease-Gen bei HIV kennen, sondern sie entstanden laut Zambon rein zufällig im Rahmen des genetischen Shifts, also aufgrund des Selektionsdruckes des Immunsystems.
Für H1N1 bisher noch keine Gefahr
Die bisherigen Erfahrungen lassen vermuten, dass für das pandemische Virus diese Gefahr noch nicht gerade bevorsteht. Das Virus ist noch weit von den notwendigen Konformationsänderungen entfernt. Die bisher 20 beobachteten Resistenzentwicklungen auf H275Y führten alle zu schlecht replizierenden Virusstämmen mit geringer Übertragungsschance. In der Mehrzahl (13 von 20) wurden diese Resistenzen bei Postexpositionsprophylaxe beobachtet, in 3 Fällen unter Therapie. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Virus so verändert, dass die 275Y Mutation übertragbar wird, ist nicht berechenbar, aber die Entwicklung braucht eine gewisse Zeit.
Quelle: Zambon Maria, 49th ICAAC 2009, Abstract 1084
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