Neue HIV-Medikamente rennen die Türe ein
Man könnte meinen, der HIV-Markt sei nun mal gesättigt aber es geht immer noch weiter. In einer HIV-Session wurden einige Substanzen vorgestellt, die noch in der frühen klinischen Prüfung stecken. von all den neuen Substanzen scheint uns der „Backup-Integrase-Hemmer“ der Firma GSK am interessantesten, sodass wir diesen separat abhandeln.
Interleukin 7 – Eine neue Interleukin Studie
Die bisherigen Versuche, die HIV-Infektion günstig zu Beeinflussen durch Veränderung des Zytokinhausahltes, haben sehr wenig gebracht. Am letzten CROI haben die negativen Resultate einer siebenjährigen Studie mit Interleukin-2 enttäuscht. Angesichts des riesigen Aufwandes für diese Studie (30 Mio US$) wird es eine weitere Studie schwierig haben. Und doch, am ICAAC wurde ein interessantes neues Konzept mit IL-7 vorgestellt.
IL-7 erhöht zwar auch die CD4 Zahl im Blut, unterscheidet sich immunologisch aber grundsätzlich von IL-2. Es stimuliert die Produktion von CD4 Zellen aus dem Thymus. In dieser Phase I/II Studie wurden in zwei verschiedenen Dosisgruppen (10 und 20 ug/kg) je 8 Patienten behandlet (+ je 2 Placebo). Alle Patienten waren unter einer vollständig suppressiven Therapie (VL<50kop/ml) mit CD4-Werten zw. 100-400/ul. Es wurden je 3 Dosen dieses rekombinanten humanen IL-7 in wöchentlichen Abständen subkutan verabreicht.
IL-7 mobilisiert Thymozyten
Die Resultate dieser Intervention sind verblüffend. IL-7 zeigte, dosisabhängig, einen deutlichen Anstieg der CD4 Zellen eine Woche nach der letzten Dosis (Verdreifachung in der höheren Dosis!), welche auch noch nach 12 Wochen sichtbar blieb (+135 über Baseline). Besonders bemerkenswert ist aber die Tatsache, dass ein grosser Teil zusätzlichen Zellen naive CD4 Zellen sind. Offenbar führt das IL-7 zu einer Mobilisierung von neuen Zellen aus dem Thymus, was sich auch an der (vorübergehend) hohen Zahl an Thymuszellen in der Periphrie nachweisen liess.
Auffallend auch die sehr gute Verträglichkeit. Keiner der Patienten
hatte eine relevante Nebenwirkung (>Grad 2). Interessant auch, dass
die IL-7 Gage nur zur Vermehrung (Proliferation) der CD4 Zellen führte,
diese aber nicht in einen höheren aktivierungszustand versetzte.
Keine
antiretroirale Therapie zwar, aber eine interessante Erweiterung des
Therapieeffektes für diejenigen Patienten, die erst bei
fortgeschrittener Immunschwäche eine Therapie erhielten und keinen
genügenden Anstieg der CD4 Zellen hatten. Ob die neu gebildeten Zellen
auch bezüglich ihrer Funktion einem „frischen“ Immunsystem gleich
kommen, wird sich erst noch zeigen müssen.
Levy et al, 49. ICAAC 2009, Abstract H-1230a
Pro140: Ein neuer Entry inhibitor kämpft sich durch
Bei diesem neuen Medikament handelt es sich um ein monoklonalen Antikörper, der an die Bindungstelle des HIV-Hüllenproteins (gp120) am CCR5-Rezeptor bindet. Im Gegensatz zu den konventionellen CCR5 Antagonisten, welche CCR5 inaktivieren indem sie die Struktur des Moleküls verformen, bindet Pro 140 nur an der HIV-Bindungsstelle, behindert aber die Funktion von CCR5 selbst nicht. Es ist auch wirksam bei Maraviroc-resistenten Stämmen und zeigt in vitro einen Synergismus mit den CCR5 Hemmern.
Somit hätten wir schon mal ein sehr interessantes Wirkkonzept. Doch als Antikörper, muss Pro140 parenteral, iv. oder subkutan verabreicht werden und der Preis für die Herstellung dürften auch höher sein. Somit wird diese Substanz vorerst wohl nur einen Platz in der Behandlung von komplizierten Fällen mit Multiresistenz haben und die Einschränkung für R5 Virus wird auch bleiben. Doch für diese Anwendung hat die FDA bereits eine rasche Zulassung vorbereitet.
Die Substanz wurde bereits am CROI 2009 in der iv.-Anwendung (10mg/kg) gezeigt. Man erreicht nach einer einmaligen Applikation eine Senkung der Viruslast um 1.8 log. Das ist beeindruckend. Am ICAAC wurden nun weitere Daten zur subkutanen Applikation von Pro 140 gezeigt (324mg s.c). Nach drei Anwendungen im Abstand von einer Woche findet sich eine Reduktion der Vuiruslast um 1.5 log. und die Substanz wird sehr gut vertragen. Die Firma glaubt, dass sich das Medikament für Personen, die Probleme mit täglicher Medikamenteneinnahme haben, gut eignen könnte. Warten wir’s ab.
Jacobson et al, ICAAC 2009, Abstract H-1229
Bevirimat – Skepsis angezeigt
Eher skeptisch bin ich hingegen bei der Substanz Bevirimat-Dimeglumine (MPC-4326). Das Medikament hat einen ganz neuen Wirkungsmechanismus. Das alleine, macht es ja schon mal interessant. Das gag-Protein des HIV muss nach seiner Aufspaltung durch die Protease einen Reifungsprozess durchmachen. Dieser Prozess wird durch das Medikament behindert. Es wirkt daher auch bei allen bekannten Medikamenten-Resistenzen. Dazu wird es sehr gut vertragen und kann gut peroral verabreicht werden. Soviel zum Positiven.
Die Substanz wurde in einer Phase 2 Studie in zwei dosen (200mg, 300mg bid) während 14 Tagen Monotherapie getestet. 6 der 32 Patienten hatten schon früher eine Therapie gehabt und mussten gegen mindestens eine Substanz eine Resistenz aufweisen.Doch verglichen mit den Resultaten von andere Monotherapien (s. oben oder Integrase-Hemmer) sieht das Resultat kläglich aus: Senkung der HIV-Viruslast um ca. 0.5 – 0.7 log. Tatsächlich ist es so, dass das Medikament bei einigen Personen nicht wirkt, weil das gp120 eine andere Struktur hat. Ein weiteres Medikament, das einen Test braucht um herauszufinden, ob es wohl wirken könnte, und wenn es dann wirkt, so ist die Potenz nicht gerade berauschend – Forget it! würden wir meinen.
Bloch et al, ICAAC 2009, Abstract H-1230
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