Kann man mit Ernährung den HIV-Verlauf beeinflussen?
Diese Präsentation hatte ich vielleicht mit dem allergrössten Interesse erwartet und mit der maximalen Enttäuschung verlassen. Ein Grand Cru mit erbärmlichem Abgang. Leider!
Das multinationale Autorenkollektiv hat sich ein sehr interessantes Thema vorgenommen. Sie haben mit Ihrer Arbeit einen Weg gesucht, den Beginn der HIV-Therapie um einige Jahre herauszuzögern. Ein interessantes Konzept. Denn unser aktuelles Verständnis der HIV Pathogenese geht davon aus, dass die Immunaktivierung der wichtigste Faktor ist, der zu den meisten Schäden bei der HIV-Infektion führt, so auch zum CD4 Abfall und zur Erhöhung des kardiovaskulären Risikos.
Wir gehen heute davon aus, dass ein wesentlicher Teil der Immunaktivierung durch die Bakterien im Darm verursacht wird. Die Ursache liegt darin, dass die HIV Infektion einen grossen Teil der Immunzellen im Darm zerstört und dass damit das Immunsystem viel mehr durch Eiweisse aus dem Darm belastet wird.
Die Autoren haben nun postuliert, dass durch eine geeignete Wahl von Nahrungszusätzen und Keimen, welche das Darmmilieu verändern, eine Reduktion der Immunaktivierung und somit eine Verlangsamung des CD4 Abfalles zu erreichen wäre.
In der sauber angelegten, kontrollierten, randomisierten Studie haben sie eine speziell zusammengesetzte Zusatznahrung (in Pulverform) verabreicht, während die Kontrollgruppe eine kalorisch ausgewogene Ernährung erhielt. Die Zusatzernährung enthielt Probiotische Oligosaccharide, N-Acetyl-Cystein, Bovines Kolostrum, Omega-3-Langketten Fettsäuren sowie Vitamine und Spurenelemente. Das Pulver wurde 2x täglich (40 g/d) eingenommen.
Und nun kommt das grosse Problem: Als 340 Patienten eingeschlossen waren, wurde gemäss Protokoll eine Interim-Analyse durch das Safety-Monitoring Board (DSMB) durchgeführt. Und dieses Board hat die Studie gestoppt. Gestoppt wurde die Studie aufgrund eines langsameren Abfalls der CD4 Werte in der Behandlungsgruppe. Nach einem Jahr war in der Kontrollgruppe der CD4 Wert um 68 abgefallen, was einem normalen Erfahrungswert entspricht. In der Interventionsgruppe war der Abfall nur 28 Zellen. Der Unterschied war mit einem p=0.03 signifikant. Genug für das DSMB, die Studie zu stoppen. Dieser Entscheid ist wirklich nicht verständlich. Ein P-Wert von 0.03 ist marginal. Es ist durchaus möglich, dass bei mehreren Messungen mal ein Wert auf 0.03 signifikant ausfällt, dass aber bei längerer Beobachtung sich der Verlauf unter Therapie der Kontrolle angleichen würde.
Dieser Entscheid ist deshalb unverständlich, weil ja für die „unbahandelten“ Kontrollen kein Sicherheitsproblem bestand. Theoretisch müsste man nun allen (nicht nur den Studienteilnehmern) diesen Nahrungszusatz geben. Doch lohnt es sich, die abdominalen Beschwerden (einzige beobachtete Nebenwirkung) und den zusätzlichen Preis und die mühsame zweimal tägliche Einnahme von 40 gr Pulver auf sich zu nehmen, wenn die Wirkung nur in einer vorzeitig abgebrochenen Studie von nur einem Jahr Dauer gezeigt ist? Das DSMB wurde schwer attakiert am ICAAC. Besonders schwierig, bei dieser prominenten Autorengruppe hinter der Studie.
Lange et al Abstract H-1230b (Vorgetragen von Pedro Cahn)
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