HIV-Testung: Wer soll wie getestet werden?

Das erste Referat in der Session 34 HIV-Management vom Samstag 12.9. war ein wahrer Genuss. Berhard Branson hat in seinem Vortrag (399: Expanding HIV Testing) eine hervorragende Übersicht über die Entwicklung von HIV Testfragen geliefert.

Branson ist dabei auch auf die umstrittene Amerikanische Strategie der Opt-out Teststrategien eingegangen und hat die Erfahrungen derselben kurz präsentiert. Eine entsprechende Publikation ist in press. Das CDC hat vor 3 Jahren eine neue Teststrategie propagiert (MMWR-RR, 22.9.06). Ausgangslage für diesen Schritt war die Erkenntnis, dass 30-40% aller frischen HIV-Diagnosen bei Personen gestellt wurden, die bereits eine fortgeschrittene Infektion hatten und bei denen innerhalb eines Jahres auch eine AIDS-Diagnose gestellt wurde.

HIV-Diagnosen oft verpasst
Tatsächlich ist es so, dass mit den heute zur Verfügung stehenden Therapien eigentlich niemand mehr eine AIDS-definierende Krankheit entwickeln sollte. Denn wenn die Infektion rechtzeitig erkannt und behandelt wird, kann die fortschreitende Schwächung des Immunsystems verhindert werden. Auch in der Schweiz haben wir eine ähnliche Situation. Es werden rund 5% der Schweizer Bevölkerung jedes Jahr getestet, aber offenbar nicht die Richtigen. Denn immer noch werden HIV-Diagnosen in mindestens 30% sehr spät gestellt. Und verglichen mit anderen Krankheiten, die wir täglich routinemässig suchen, gibt es wohl keine chronische Krankheit, die so gut behandelt werden kann wie HIV (Wolensky, 2006 JID).  Die nebenstehende Abbildung aus dieser Publikation zeigt den Überlebensvorteil unter einer Behandlung bei HIV verglichen mit anderen Erkrankungen.

Die Falschen werden getestet
Branson zeigte für die USA dass jedes Jahr 18 Millionen Menschen zwischen 18 und 65 Jahren auf HIV getestet werden. Dies entspricht gut 10%. Doch interessanterweise bleibt der Anteil der Personen in diesem Alter, die je einmal getestet wurden, seit einigen Jahren immer stabil auf einem Plateau um 40%. Das bedeutet, dass sich immer die gleichen regelmässig testen.

Die umstrittene US-Strategie
Die genannte neue Teststrategie der USA wurde bisher stark kritisiert. Branson hat dargestellt, dass die opt-out Strategie (Testung bei jedem Notfalleintritt ohne vorgängige Information des Patienten) nicht im Zentrum der US-Strategie war. Ein Paradigmenwechsel war notwendig, weil bis vor 3 Jahren noch die Mehrzahl der US-Staaten eine schriftliche Einwilligung des Patienten forderten, damit ein Test durchgeführt werden kann. Das ist natürlich völlig überrissen. Auch hat die Strategie nicht die Testberatung abgeschafft, wie manche glaubte, sondern lediglich betont, dass es auch eine Testung ohne Beratung geben darf, wie wir dies momentan auch in der Schweiz einführen.
Konkret hat die neue Strategie gefordert:

  • Testung aller 18-65-jährigen bei einer Notfallaufnahme / Hospitalisation
  • Testung von allen Patienten mit Tuberkulose oder Geschlechtskrankheiten
  • Jährlicher Test bei allen Personen mit erhöhtem Risikoverhalten

Postives Testresultat zeigt positive Auswirkungen
Nicht nur die positiv getestete Person selbst profitiert von einer Diagnose. Wie Marks et al (AIDS, 2006) zeigten, führt die Kenntnis der Diagnose auch dazu, dass zwei Drittel der Infizierten nach dem Test ihr Risikoverhalten ändern, und andere Personen vor einer weiteren Infektion schützen. In dieser Arbeit wurde auch berechnet, dass etwa 25% der HIV-infizierten Personen in den USA nicht diagnostiziert sind und dass von diesen bis zu 70% aller neuen Infektionen ausgehen könnten.

Haltung zum Test muss verändert werden
Tatsächlich scheinen die Amerikaner die gleichen Probleme zu sehen wie wir in der Schweiz. Eine Erhebung in den USA ergab, dass die meisten Amerikaner gegenüber einem Test offen sind, aber dass es die Ärzte sind, die grosse Zurückhaltung beim Testen anwenden. Es ist auch so, dass viele Patienten glaubten (auch vor Strategieänderung), dass die HIV-Testung bei jeder Hospitalisation durchgeführt wurde. Eine Beobachtung, die wir auch in der Schweiz machen.
Hat die neue Strategie schon etwas bewirkt: Brenson hat gezeigt, dass mit der Einführung der Strategie und auch den Schnelltests mehr Personen früh diagnostiziert wurden und dass pro Jahr etwa eine Million Menschen mehr auf HIV getestet werden als früher. Etwa 100’000 mehr als früher haben einen Test zum ersten Mal durchgeführt. Eine grosse Hürde ist in den USA noch die Finanzierung des Tests, aber seit diesem Monat werden nun auch in den USA HIV-Testungen durch Medicare übernommen.

Abstract: Branson B, Expanding HIV Testing 49th ICAAC 2009, Abstract 399

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