Alltag H1N1: Notfallkonsultation 9jähriger Patient

Ein erster Beitrag unserer neuen Rubrik „Alltag H1N1“ erreicht uns von Dr. Arnold Bächler, Praxispädiater aus St. Gallen, dem wir für seinen interessanten Beitrag herzlich danken!

Sehr geehrter Herr Kollege

Darf ich Ihnen zum Wochenanfang einen kurzen „Frontbericht“ zukommen lassen? Freitagabend 18.30 ein 9-jähriger Junge srilankischer Abstammung, Schüler der 3. Klasse im Schulhaus Grossacker, wird mir in Vertretung seines Kinderarztes vorgestellt. Er ist sehr mitgenommen, liegt auf der Couch, klagt über heftige, allgemeine Gliederschmerzen (was in diesem Alter ein ganz ungewöhnliches Symptom ist!), Nausea und Kopfweh. Bei der klinischen Untersuchung 40 Grad Fieber, kein Meningismus, keine septischen Zeichen, geringe Pharyngitis. Keine Auslandkontakte, war aber den ganzen Tag in der Schule! Klinische Beurteilung: Grippe. Wegen des Schulbesuches tagsüber  Entschluss zum Rachenabstrich für H1N1-PCR  aus epidemiologischen Gründen.(Grosses Theater schon beim Nasenabstrich, Refus des Rachenabstriches!) Abstrichmaterial 10 Minuten vor Torschluss in der Hauptpost per Express an die Zürcher Virologie gesandt. Massnahmen: Weil der Knabe wirklich sehr mitgenommen wirkt und erst seit 24 Stunden krank ist und die Mutter auf eine Behandlung drängt. Tamiflu mit der sehr umständlichen Zubereitungsanweisung des Herstellers. Zudem Quarantäneempfehlung bis zum Eintreffen des Laborresultates und/oder der vollständigen Genesung des Patienten und BAG-Merkblatt für alle Kontaktpersonen. Telefon am Sonntag um 11.00 ins Virolog. Institut der Uni ZH, wo tatsächlich das Telefon bedient wird(!) Auskunft: Material zur PCR-Untersuchung, das am Freitag eintreffe, werde erst am Montag Vormittag verarbeitet. Resultat sei frühstens am Montagabend erhältlich. Telefonische Nachfrage beim Patienten: Sei seit der 2. Tamiflu-Dosis afebril  und die Gliederschmerzen seien verschwunden. Anweisung er solle trotzdem bis zum Eintreffen des Laborresultates zuhause zu bleiben und die Lehrerin informieren.

Facit? Probenentnahme nur während Bürostunden? Nie am Freitag/Samstag und Sonntag? Diagnose klinisch? Therapie nach klinischen und eventuell epidemiologischen Kriterien? Probenetnahme im pädiatrischen Bereich schwierig. Finanzierung der Labor- und Medikamentenkosten wohl auch schwierig!

Mit freundlichen Grüssen
Arnold Bächler, Praxispädiater, St.Gallen

 

In unserer neuen Rubrik „Alltag H1N1“ veröffentlichen wir Berichte von Mitarbeitern aus dem Gesundheitswesen, die „an der Front“ vor der schwierigen Aufgabe, die Übersicht über die Flut von Empfehlungen zu behalten und ihre teilweise nahezu unmögliche Umsetzung im Alltag zu bewerkstelligen.

Sind auch Sie „direkt an der Front“ und wollen dies berichten, senden Sie uns Ihren Beitrag an H1N1@infekt.ch. Vielen Dank!