Wie aggressiv ist H1N1 ?

Epidemiologen aus der Oxforder Gruppe um Neil Ferguson haben in Science online eine erste Analyse zur Übertragbarkeit von H1N1, dem Erreger der Mexikanischen Grippe („Schweinegrippe“) präsentiert.

Die Autoren haben aufgrund der verfügbaren Fallzahlen aus Mexiko Hochrechnungen über die effektive Zahl der Infizierten angestellt. Dabei kommen sie auf eine Zahl von ca. 24’000 Menschen, die bis Ende April in Mexiko mit dem Virus angesteckt waren. Allerdings sind die Autoren sehr vorsichtig in Bezug auf ihre Schätzungen. Mit diesen Annahmen ist die Letalität (Sterblichkeit) der Erkrankung bei ca. 0.4%, was etwa der Letalität der 1957 Asiatischen Grippe entspricht, also deutlich milder als die ca. 1.5-2% der Spanischen Grippe 1918.
Eine sehr hohe Dunkelziffer von Erkrankungen in Mexiko, wie das die Autoren hier annehmen, ist vermutlich die beste Erklärung dafür, dass wir ausserhalb Mexico eine relativ geringe Letalität beobachten. Durch unsere grosse Aufmerksamkeit entdecken wir nun jedes Hüsteln und gehen dem minutiös nach. Damit werden natürlich die zahlreichen sehr milden Fälle detektiert, was zu einer scheinbar geringeren Letalität führt.
Andererseits ist die Infektion sehr gut übertragbar. Die basale Reproduktionsrate wird auf ca. 1.5 (1.4-1.6) geschätzt. Darunter versteht man die mittlere Anzahl von Infektionen, die von einer infziierten Person ausgehen. Die Zahl ist natürlich abhängig von den Lebensumständen, doch sie ist eindeutig höher als für die saisonale Grippe und in der Grössenordnung der Schätzungen für die früheren Pandemien.

Die Arbeit bestätigt, was man eigentlich in den letzten 2 Wochen gut beobachten konnte (s. Bericht: Milder als erwartet, rascher als geplant): die Infektion wird sich relativ rasch global verbreiten, doch die Erkrankung verläuft in den meisten Fällen mild. Allerdings rechnet die WHO mit der Infektion von 1-2 Milliarden Menschen, sodass selbst bei einer Sterblichkeit von 0.1% mit einer Million Todesfällen zu rechnen ist. Und nach heutiger Auffassung sind besonders jüngere Menschen betroffen.

Quelle: Fraser et al, Science ahead of print, 8.5.2009
Besonders eindrücklich ist übrigens das Publikationstempo: Submitted 5. Mai, Accepted 11.Mai, in print online gleichentags. Fast so schnell wie die Grippe selbst.

Vergleiche auch die Analyse der WHO vom 11.5.09 (Assessing the severity of an influenza pandemic).