Mexikanische Grippe – kann eine Pandemie aufgehalten werden?

Die Mexikanische Grippe ist weiter auf dem Vormarsch und sorgt täglich für Schlagzeilen. Doch wie reell ist die Gefahr, und kann sie aufgehalten werden? Fachleute sind sich uneinig. Die WHO warnt ausdrücklich vor Panik.

In den letzten Tagen hat die WHO zwei Mal in Folge die Pandemiephase angepasst – zunächst von Stufe 3 auf vier, und zwei Tage später auf Stufe 5 – die zweithöchste mögliche Stufe. Das bedeutet, dass die Mexikanische Grippe mit dem A/H1N1-Grippevirus von Mensch-zu-Mensch übertragen werden kann und dass Cluster (Ansammlungen) von Infektionen ausserhalb von Mexiko innerhalb bislang klar abgegrenzter geographischer Gebiete aufgetreten sind (USA). Die Welt ist einer Pandemie näher, aber noch nicht dort.

Kann eine Pandemie noch verhindert werden? Fachleute sind sich darüber uneinig, und schlussendlich wird die Zukunft zeigen, wer Recht hat. Prognosen sind zur Zeit schwierig, da über die Attack Rate (Ansteckungspotential) und die Virulenz (Fähigkeit krank zu machen) des A/H1N1 Grippevirus noch zu wenig bekannt ist. Die ersten Fälle des neuen A/H1N1-Virus wurden am 21. und 24. April 09 im Labor nachgewiesen, nachdem den mexikanischen Behörden aufgefallen war, dass die vermeintliche „saisonale“ Grippe überproportional vielen jungen, gesunden Personen das Leben zu kosten scheint. Dass junge, gesunde Menschen an dem A/H1N1-Virus schwer erkrankten und gar starben hat bei Grippepandemiespezialisten für Aufregung gesorgt, erinnert dieses Muster doch an die verheerende Spanische Grippe Pandemie 1918/19. Die Erkennung des von der „saisonalen“ Grippe abweichenden Mortalitätsmusters durch die mexikanischen Gesundheitsverantwortlichen ist bemerkenswert und spricht für das alerte Grippe-Überwachungssystem.

Dennoch bedeutet die entstandene Verzögerung der Erkennung des neuenartigen Virus auch, dass der A/H1N1-Ausbruch in Mexiko bereits früher startete – möglicherweise bereits Mitte März. Mag diese einerseits erschrecken, so lässt es andererseits auch aufatmen. Einerseits bedeutet es, dass unbemerkte Fälle zur raschen Ausbreitung des A/H1N1-Gripevirus beitragen werden. Andererseits bedeutet es aber auch, dass die Anzahl der unerkannt Infizierten weitaus höher liegt als bislang angenommen, und dass die Schätzung der Mortalität (welche heute auf ca. 1% oder weniger geschätzt wird) bei einer möglichen bevorstehenden Grippepandemie im weiteren Verlauf weiter nach unten korrigiert werden müsste. Die Erkennung und Nachverfolgung von Cluster-Ausbrüchen ausserhalb Mexikos wird uns diesbezüglich genauere Daten liefern, wie dies auch im WHO-Pandemieplan vorgesehen ist. Wir dürfen in der gut situierten Schweiz – auch wenn unser Gesundheitssystem einer Herausforderung sondergleichen gegenüberstehen würde und wir uns dementsprechend vorzubereiten haben – jedoch nicht vergessen, dass bei einer Grippepandemie nach Schätzungen aufgrund der Daten der Spanischen Grippe 96% der Todesfälle in Niedrig- und Mittel-Einkommensländern erwartet werden müssen.

Wir erwarten in den nächsten Tagen und Wochen weitere bestätigte Fallmeldung und das Auftreten weiterer Cluster aus Ländern rund um den Globus. Jedoch befinden wir uns in einer unstabilen Phase einer möglichen beginnenden Pandemie, in der zunächst noch weitere Daten über das A/H1N1-Grippevirus und dessen Ausbreitungsmuster gesammelt werden müssen, sodass alle Voraussagen und auch die daraus getroffenen Massnamen provisorischen Charakter haben und im weiteren Pandemieverlauf angepasst werden müssen.

Zur Zeit – wie auch die WHO klar hervorhebt – ist Aufmerksamkeit, jedoch keinesfalls Panik angebracht. Die Medien sollten mit einer objektiven informierenden Berichterstattung das ihrige dazu beitragen, und wir hoffen, mit unseren Web-Beiträgen das unserige getan zu haben.