HCV-Therapie bei HIV-Koinfektion – fällt das 48-Wochen-Dogma?

HCV-Genotyp 2 + 3 = 24 Wochen, HCV-Genotyp 1 + 4 = 48 Wochen, HIV-Koinfektion (unabhängig vom HCV-Genotyp) = 48 Wochen HCV-Therapie – das war einmal. Das neue Schlagwort heisst „response-guided therapy“.

Pegyliertes Interferon plus Ribavirin ist die Standardtherapie der chronischen Hepatitis C sowohl bei HCV-Mono- als auch bei HCV-HIV-Koinfizierten. Bei der HCV-Monoinfektion richtet sich die Therapiedauer nach dem Genotyp. Für Genotyp 2 und 3 werden 24 Wochen und für Genotyp 1 und 4 48 Wochen empfohlen. Bei Vorliegen einer HIV-Koinfektion ist das Therapieansprechen grundsätzlich um 10-15% schlechter (Matthews, J Gastroenterol Hepatol 2008), weshalb bislang unabhängig vom HCV-Genotyp eine 48wöchige Therapie propagiert wurde.

Die Kinetik des virologischen Ansprechens (Zeit bis zur vollständigen Viruselimination) hat sich als bester prognostischer Faktor für den Behandlungserfolg herausgestellt. Das Nichterreichen einer „early virologic response“ (EVR) in Therapiewoche 12 (definiert als Abfall der HCV-RNA um mindestens 2 log gegenüber dem Ausgangswert bei Therapiestart) gilt als Therapie-Abbruch-Kriterium („12 week-stopping rule“), da in diesem Fall nur noch in 0-3% mit einem dauerhaften Therapieansprechen („sustained virologic response“ (SVR) = HCV-RNA 6 Monate nach Therapieende unverändert nicht nachweisbar) zu rechnen ist (Fried, NEJM 2002).

Für HCV-Monoinfizierte konnte in mehreren Studien gezeigt werden, dass im Falle einer „rapid virologic response“ (RVR = HCV-RNA bereits nach 4 Wochen HCV-Therapie nicht mehr nachweisbar) die Therapiedauer für Genotyp 2 und 3 auf 12-16 Wochen und für Genotyp 1 und 4 auf 24 Wochen verkürzt werden kann. Umgekehrt profitieren schwierig zu behandelnde Patienten, welche das Virus erst nach Therapiewoche 12 eliminieren, von einer Verlängerung der Therapiedauer von 48 auf 72 Wochen.

Warum soll eine auf die Zeit bis zur vollständigen Viruselimination zugeschnittene Therapiedauer („response-guided therapy“) nicht auch bei HCV-HIV-Koinfizierten möglich sein?

In einer unkontrollierten Single-Center-Studie in einem tertiären Zentrum in Barcelona (Spanien) sind van den Eynde et al. dieser Frage nachgegangen.

Zwischen Januar 2005 und Dezember 2006 wurden 60 HCV-HIV-koinfizierte (CD4 >=200/ul; HIV-RNA <50 Kop./ml falls unter HAART (78,3%); HIV-RNA <10.000 Kop./ml, falls HAART-naiv; 78,3% Männer; 86,7% ehemalige i.v.-Drogenkonsumenten; Genotyp 1 42%, Genotyp 4 18%, Genotyp 3 40%)), HCV-Therapie-naive Patienten eingeschlossen und mit pegyliertem Interferon alpha-2b (Pegintron) (1x/Woche 1,5 ug/kg s.c.) und gewichtsadaptiert Ribavirin (800-1400mg/d p.o.) behandelt. Bei Nebenwirkungen bzw. wenn die Laborwerte dies erforderten, durfte die Ribavirin-Dosis schrittweise um 200mg/d und die PegInterferon-Dosis auf 1,0, 0,75 und 0,5 ug/kg reduziert werden. Bei signifikanter hämatologischer Toxizität war der Einsatz von Erythropoetin erlaubt.

Die Therapiedauer wurde unabhängig vom HCV-Genotyp entsprechend dem virologischen Ansprechen nach 4, 12 bzw. 24 Wochen individuell festgelegt:

A) Therapiewoche 4: HCV-RNA <50 U/ml = „Rapid virologic response“ (RVR) => 24 Wochen
B) kein RVR, aber Therapiewoche 12: HCV-RNA <600 U/ml = „complete early virologic response“ (cEVR) => 48 Wochen
C) kein RVR, kein cEVR, aber >= 2 log HCV-RNA-Abfall nach 12 Wochen und Therapiewoche 24: HCV-RNA <50 U/ml („partial early virologic response“ (pEVR) => 60 Wochen
D) HCV-RNA-Abfall < 2 log nach 12 Wochen oder nachweisbare HCV-RNA Therapiewoche 24 = „null virologic response“ (NVR) => Therapieabbruch (Non-Responders)

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Sämtliche Patienten wurden nach Therapieende noch für 24 Wochen nachkontrolliert. Bei 7 Patienten (11,7%) wurde die Therapie nebenwirkungsbedingt abgebrochen. Eine Dosisreduktion von PegInterferon war bei 25 Patienten (41,7%), von Ribavirin bei 7 Patenten (11,7%) und von beiden Medikamenten bei 3 Patienten (5%) nötig. Erythropoetin kam bei 5 Patienten (8,3%) mit symptomatischer Anämie zum Einsatz.

Der primäre Endpunkt war das Erreichen eines dauerhaften Therapieansprechens („sustained virologic response“ (SVR)), d.h. eine 24 Wochen (6 Monate) nach Therapie-Ende nicht nachweisbare HCV-RNA.

Insgesamt erreichten 33/60 Patienten (55%) eine SVR: 11/25 (44%) mit Genotyp 1, 3/11 (27%) mit Genotyp 4 und 19/24 (79%) mit Genotyp 3. Bei Therapieende waren 40/60 (66,7%) der Patienten HCV-RNA negativ. Bei 7/40 (17,5%) kam es jedoch zum Relapse. Die SVR-Rate war bei Patienten mit Genotyp 3 (OR 4,9) und tiefer HCV-RNA (<800.000 U/ml) bei Therapiestart (OR 14,8) signifikant höher.

A) 1/3 aller Patienten zeigte nach 4 Wochen eine RVR, so dass die Therapiedauer von 48 auf 24 Wochen verkürzt wurde (4/25 (16%) mit Genotyp 1, 1/11 (9%) mit Genotyp 4 und 14/24 (58%) mit Genotyp 3). Von den 19 Patienten mit RVR eradizierten 17 (89,5%) das Virus nach der nur 24wöchigen Therapie (SVR bei 5/5 Patienten mit Genotyp 1 bzw. 4 und 12/14 (85,7%) Patienten mit Genotyp 3).

B) 24 der 41 Patienten, welche nach 4 Wochen keine RVR erreicht hatten, zeigten nach 12 Wochen eine cEVR (40% der 60 Studienteilnehmer) und erhielten eine 48wöchige Therapie. In dieser Behandlungsgruppe lag die SVR-Rate bei 58,3% (5/11 (45,5%) mit Genotyp 1, 2/4 (50%) mit Genotyp 4 und 7/9 (77,8%) mit Genotyp 3). Bei Patienten mit Genotyp 1 und 4, welche erstmals nach 12wöchiger Therapie eine nicht nachweisbare HCV-RNA hatten (cEVR) und während 48 Wochen behandelt wurden, fand sich mit 46,2% (6/13 Patienten) eine hohe Relapse-Rate. Die Nachtestung kryokonservierter Serum-Proben der Therapiewoche 12 mit einer Realtime-PCR (COBAS AmpliPrep-COBAS-TaqMan 48) mit Detektionsschwelle 15 U/ml ergab bei 3 der 11 verfügbaren, zuvor mit HCV-RNA <600 U/ml getesteten Proben eine residuelle Virämie und alle 3 dazugehörigen Patienten erfuhren einen Relapse.

C) 3/25 (12%) der Patienten mit Genotyp 1 zeigten nach 12 Wochen eine partielle EVR und nach 24 Wochen eine nicht mehr nachweisbare HCV-RNA, so dass sie während 60 Wochen therapiert wurden. Von diesen 3 Patienten kam es bei einem zum virologischen Versagen bei Therapieende, während die anderen beiden das Virus erfolgreich eliminierten.

D) 14 der insgesamt 60 Patienten (23,3%) waren Non-Responder und zeigten nach 12 Wochen einen Abfall der HCV-RNA von <2 log U/ml, so dass die HCV-Therapie wegen Nichtansprechens abgebrochen wurde (8 mit Genotyp 1 und 6 mit Genotyp 4).

Conclusion:

Eine „response-guided therapy“ (Ansprechen-gesteuerte Therapie) scheint für die Optimierung der HCV-Therapie bei HIV-Koinfizierten nützlich zu sein. Die beobachteten SVR (sustained virologic response)-Raten sind verhältnismässig hoch (allerdings keine mit dem gegenwärtigen „standard of care“ therapierte Vergleichsgruppe) und eine immerhin bei 1/3 der Patienten auf die Hälfte (24 statt 48 Wochen) reduzierte Therapiedauer dürfte die Hemmschwelle, bei HIV-Koinfizierten mit einer HCV-Therapie zu beginnen, bei Ärzten und Patienten erheblich senken.

Quelle: Van den Eynde, CID 2009;48:1152-1159