HIV-Transmission – Wird das EKAF Statement widerlegt?
Eine gesamte Session war den Fragen der sexuellen Übertragung der HIV-Infektion gewidmet. Eigentlich wenig neue Daten, wie wir meinen.
Es scheint, dass das EKAF Statement eine Vielzahl von Autoren zu neuen Arbeiten über verschiedene Aspekte der HIV-Transmission stimuliert hat. Nachdem nun einige Jahre in Bezug auf HIV in Genitalsekreten wenig zu hören war, wird das Feld wieder aktiv. Doch letztendlich sind es wenig neue Daten zum Thema.
HIV-RNA im Sperma nachweisbar unter Therapie
Gleich zwei Arbeiten haben sich mit dem HIV Nachweis im Sperma unter Therapie befasst. Ein interessanter Beitrag kam aus Canada (Seth et al, #50). Die Autoren haben zwei Populationen untersucht. Eine Longitudinalstudie bei 25 Männern, welche eine Therapie anfingen und eine Querschnittstudie bei 13 chronisch infizierten Männern.
Die Resultate sind in der Tat überraschend und decken sich kaum mit bisherigen Arbeiten: In der ersten Gruppe, welche monatlich eine Spermaprobe abgab, fand sich ein klarer Abfall der HIV-RNA im Sperma unter Therapie und praktisch alle hatten nach 24 Wochen keine nachweisbare Viruslast.
Allerdings fand sich bei drei Personen eine nachweisbare Viruslast im Sperma als das Virus im Blut bereits supprimiert war. Ein Patient hatte eine einmalige Erhöhung auf tiefem Niveau. Einer hatte einmalig eine Viruskonzentration über 5000 k/ml und der dritte hatte mehrmals eine solche Erhöhung. Bei letzterem habe man auch eine positive HIV-Kultur aus dem Sperma gefunden, allerdings wurden die Details der Methodik nicht erwähnt.
In der zweiten Gruppe der chronisch infizierten Personen hatten 4 / 13 Männern eine nachweisbare Viruslast im Sperma. Allerdings waren alle Konzentrationen unter 1000 kopien /ml.
Diese Arbeit muss sich einige Kritik gefallen lassen und Steve Taylor aus Birmingham hat auch den wunden Punkt direkt angesprochen. Weshalb findet diese Gruppe eine viel höhere Viruskonzentration als eine Vielzahl von früheren Untersuchungen, die dies bisher nicht nachweisen konnten (s. unten). Die Gruppe verwendete eine Nachweismethode (branched DNA-assay), welche bisher nicht für Sperma validiert wurde. Die Kontamination mit zellulären Bestandteilen dürfte aber ebenfalls ein wesentliches Problem dargestellt haben. Wird Sperma nicht mit hoher Zentrifugalkraft und genügend lange zentrifugiert, bleiben nach unseren Erfahrungen immer wieder Zellen im zähflüssigen seminal plasma hängen. Dies kann zur Kontamination mit zell-assozierter mRNA führen. Ebenfalls ungeklärt ist, ob bei den Patienten in der ersten Kohorte während Therapiebeginn Geschlechtskrankheiten (STDs) ausgeschlossen wurden. Solche hohen HIV-RNA Konzentrationen sind eigentlich typisch für Situationen mit STDs.
Auch Reproduktionsmedizin meldet sich zu Wort
In der zweiten Arbeit aus Paris (Marcelin et al, #51) wurden die Proben aus einer Reproduktionsmedizinischen Einheit untersucht. Die Arbeit wurde allerdings bereits publiziert (Marcellin et al, AIDS Aug 2008). Es handelte sich um Paare (Mann positiv), welche bei Kinderwunsch eine Inseminationsbehandlung hatten. Insgesamt wurden 264 Proben untersucht. In 234 war die HIV-RNA im Sperma negativ. Unter den positiven waren sieben von Männern, die im Blut keine nachweisbare HIV-RNA hatten. Allerdings hat die Autorin nicht gezeigt, wie die früheren HIV-RNA Werte waren, also ob die Viruslast im Blut erst kurz zuvor supprimiert wurde. Alle sieben Proben hatten RNA-Werte im Bereich in einem tiefen Bereich (unter 1000 k/ml). Wir wissen aus früheren Arbeiten (Coombs et a, 1999), dass infektiöses Virus erst bei höheren Viruskonzentrationen im Sperma nachzuweisen ist.
Die Resultate weichen deutlich ab von früheren Arbeiten verschiedener Autoren (Vernazza, Chen, Sadiq). Auch hier konnte die Referentin nicht genau sagen, wie die Proben vorbereitet (Zentrifugation!) wurden.
Ist EKAF Statement widerlegt?
Die gezeigten Arbeiten sind interessant und wichtig. Doch sie sind kein Hinweis für eine gesteigerte Infektiosität im Sperma, mit Ausnahme der ersten Kohorte, wo die Patienten noch früh unter der antiviralen Therapie untersucht wurden. Es wird interessant sein, diese Kohorte auch noch weiter zu beobachten. Wir gehen davon aus, dass die Autoren dies tun werden.
Doch der biologische Nachweis von HIV-RNA im Sperma widerlegt die Beobachtung einer kaum nachweisbaren Transmission unter HAART nicht. Was es letztendlich braucht sind längerfristige epidemiologische Daten, welche das Transmissionsrisiko unter HAART quantifizieren. Und wir müssen es immer wieder wiederholen: Das EKAF Statement besagt, dass das Transmissionsrisiko im Bereich des Risikos von Sex mit Kondom ohne Therapie ist. Auch dort gibt es einzelne dokumentierte Übertragungen und dennoch erachten wir Kondom-geschützten Sex als sicher.
Zell-freies Virus Hautquelle bei sexueller Übertragung
Eine weitere Studie in dieser Session hat noch Beachtung verdient (Butler et al, #49LB). David Butler stellte eine sorgfältige Analyse von 4 homosexuellen Transmissions-Paaren vor, bei welchen Spermaproben des Index-Partner unmittelbar nach der Infektion (72 Tage) und Blutproben des frisch infizierten Partners (um 59 Tage nach Infektion) verglichen wurden. Dabei konnte er mit phylogenetischer Analyse zeigen, dass die Infektion in allen 4 Fällen durch das freie Virus im Sperma zustande kam.
Wir würden hier aber noch vor voreiligen Schlüssen warnen. Frühere Untersuchungen weisen darauf hin, dass insbesondere beim Vorliegen von sexuell übertragbaren Krankheiten auch zell-assoziertes Virus übertragen werden dürfte.