Geh an die frische Höhen-Luft

Höhenkur bei Tuberkulose – obsolet oder top modern? Und was gibt es sonst
Neues bei Diagnostik und Behandlung der Mykobakteriosen zu beachten?

Download der Folien (1530KB)

Dr. Patrick Schmid, Kantonsspital St. Gallen / 26. Februar 2009
*deutsch

Ausgehend von der Geschichte der Höhenkur nahm uns Patrick Schmid mit auf einen Streifzug durch Epidemiologie, Pathophysiologie, Klinik, Diagnostik und Therapie der Tuberkulose (TB).

Geschichte der Höhenkur:

Bereits 1764 äusserte Jean-Jacques Rousseau, dass man die Alpenluft für Kuren nutzen könne. Im 19. Jahrhundert kam es im Zuge der Industriellen Revolution zur Verstädterung. Die Menschen lebten nun enger zusammen und die Tuberkulose avancierte zur Volksseuche, welche zunächst als immer tödlich verlaufend gefürchtet war. Noch bevor 1882 Robert Koch den Tuberkulose-Erreger (Koch’scher Bacillus = Mycobacterium tuberculosis) entdeckte und mit Streptomycin 1944 das erste Antituberkulotikum auf den Markt kam, wurden durch Kombination von Höhenklima und Chirurgie (Thorakoplastik, Pneumothorax, Paraffinplombe) Heilungserfolge erzielt. Das erste Sanatorium entstand in Göbersdorf (Polen). In der Schweiz setzte sich Alexander Spengler (1827-1901) für die Nutzung des Davoser Höhenklimas in der Tuberkulosebehandlung ein. Ab 1865 waren Liegekuren in den Alpen zunehmend verbreitet und 1903 wurde Niels R. Finsen für die Heilung von Haut-TB (Lupus vulgaris) durch Licht (sog. Heliotherapie) der Nobelpreis verliehen. Mit der Einführung von Isoniazid und Pyrazinamid (1952), Ethambutol (1964) und Rifampicin (1967) rückte jedoch zunehmend die medikamentöse Therapie in den Vordergrund und die Höhenkur verlor an Bedeutung.

Epidemiologie:

In der Schweiz ist die Tuberkulose-Indzidenz mit 500 Erkrankungen pro Jahr verhältnismässig niedrig, bei Ausländern jedoch mit 14,4 Fällen pro 100.000 Einwohner und Jahr deutlich höher als bei den Schweizern (3,6/100.000 E./J). Global betrachtet, sieht es etwas anders aus. Schätzungsweise 1/3 der Weltbevölkerung ist latent mit TB infiziert und es muss jährlich mit 8,5 Millionen Neuerkrankungen und 1,8 Millionen Todesfällen gerechnet werden. In Osteuropa liegt die Inzidenz mit 100-300/100.000 E./J. noch immer auf einem Niveau wie in der Schweiz vor 100 Jahren.

Pathophysiologie:

Das Heimtückische an der TB ist, dass sie sich – nach der Primoinfektion, welche sich mit Lungeninfiltrat und Hiluslymphknoten im Sinne einer primären TB manifestieren, aber auch asymptomatisch verlaufen kann, – in ein Latenzstadium begibt (LTBI = latent tuberculosis infection). In 10% der Fälle kommt es zu einer Reaktivierung der Tuberkulose in Lunge, Lymphknoten, Knochen, urogenital etc. Dabei treten 5% in den ersten beiden Jahren nach Primoinfektion und die verbleibenden 5% erst nach Jahren und Jahrzehnten auf.

Im Zuge einer langjährigen Ko-Evolution haben sich Erreger (Mykobakterien) und Wirt (Mensch) aneinander angepasst. Makrophagen und zytotoxische T-Zellen (CD8) sind an der zellulären Abwehr des Wirts beteiligt. M. tuberculosis gelingt es jedoch, intrazellulär in Makrophagen zu überleben. Schliesslich wird der Erreger durch Granulombildung abgekapselt.

Ursprünglich erklärte man sich die Wirkung von Höhenkur und Heliotherapie wie folgt: In Dunkelheit und Feuchtigkeit können die Mykobakterien während Stunden und Monaten überleben, in der frischen Höhenluft dagegen werden sie im Sonnenlicht abgetötet und "vom Winde verweht".

Dass Sonnenlicht bei der TB tatsächlich etwas nützt, scheinen aktuelle Forschungsresultate zu bestätigen. Bestandteile der Mykobakterien werden von sogenannten Toll-like-Rezeptoren (TLR) 1 und 2 erkannt, was in Makrophagen (nicht aber in Dendritischen Zellen) zur Aktivierung bestimmter Gene führt, welche letztlich die Abtötung der Mykobakterien zur Folge hat. Interessanterweise handelt es sich bei den vermehrt exprimierten Genen um die 1-alpha-Hydroxylase, das Schlüsselenzym der Vitamin D-Aktivierung, und den Vitamin-D-Rezeptor. Unter dem Einfluss von Vitamin D wird vermehrt Cathelicidin gebildet, das in den Phagosomen zur Abtötung der Bakterien führt. Vitamin D kann sowohl als fettlösliches Vitamin mit der Nahrung zugeführt als auch unter dem Einfluss von Sonnenlicht (UVB-Strahlung; offenbar nicht im Solarium-Licht enthalten, Sonnencreme gegen UVB gerichtet) in der Haut gebildet werden. In einer Studie an 375 Afrikanischen Immigranten in Melbourne konnte gezeigt werden, dass Vitamin-D-Mangel mit einem erhöhten Tuberkulose-Erkrankungsrisiko assoziiert ist. Der 25-OH-Vitamin-D-Spiegel sollte >=75nmol/l (30ng/ml) betragen, was mit einer Zufuhr von >=1000U/d (25ug) erreicht werden kann. Diesbezüglich wurde mit Blick auf Adherence und Kosten von einem Zuhörer eine 2x jährliche i.m.-Applikation vorgeschlagen.

Klinik – Wann muss man an TB denken?:

Die Klinik der Tuberkulose ist nicht gerade spezifisch. Bei Vorhandensein entsprechender Risikofaktoren (Herkunft, Immunsuppression, Alter) sollte man im Falle von >2-3 Wochen andauerndem Husten (evtl. mit Hämoptoe) und Allgemeinsymtomen wie Gewichtsverlust, Nachtschweiss und subfebrilen Temperaturen aber daran denken (Think TB!).

Diagnostik:

Thoraxradiologisch finden sich bei Pulmonaler TB typischerweise fleckige/noduläre Infiltrate (meist unilateral), welche aufgrund des höheren pO2 v.a. im Oberlappen oder Apex des Unterlappens zu finden sind (evtl. Kavernen; bei HIV häufig atypisch) (cave: auch bei extrapulmonaler TB ohne pulmonale Symptome nach pulmonaler TB suchen!). Die Diagnose einer aktiven TB stützt sich auf den mikroskopischen bzw. kulturellen Erregernachweis im induzierten Sputum (Inhalation von 3%iger NaCl-Lösung) oder der BAL (Bronchoalveoläre Lavage) (BAL nicht besser als 3x induziertes Sputum am gleichen Tag). Tuberkulin-Hauttest (Mantoux) sowie Bluttests (Quantiferon bzw. Elispot) spielen hierbei keine Rolle (bei aktiver TB 30% falsch negativ), haben jedoch ihren Stellenwert beim Screening auf latente TB (z.B. nach TB-Exposition, vor einer immunsuppressiven Therapie mit TNF-alpha-Blockern, als Basis-Screen im Gesundheitswesen). Kommt es als Antwort auf das in den Tests enthaltene Mykobakterien-Antigen zu einer Interferon-gamma-Produktion (in vivo beim Hauttest (Induration) und in vitro beim Bluttest), spricht dies für eine stattgehabte TB-Infektion. Keiner der beiden Tests kann eine aktive von einer latenten TB unterscheiden. Im Alter und bei Immunsuppression ist die Sensitivität vermindert (Bluttest evtl. etwas sensitiver). Eindeutig überlegen ist der Bluttest jedoch in Hinblick auf die Spezifität (i.G.z. Hauttest keine falsch positiven Resultate nach BCG-Impfung und geringere Beeinflussung durch nicht-tuberkulöse Mykobakterien (NTM)).

Der Nutzen der PCR liegt in einer beschleunigten Diagnosestellung (1-2 Tage verglichen mit 3-8 Wochen bis zum Positivwerden der Kultur), was z.B. bei klinisch dringendem V.a. TB-Meningitis und negativem Direktnachweis für einen raschen Therapiebeginn ausschlaggebend sein kann (Sensitivität 60-90%; Nachteil: keine Resistenzprüfung). Zudem kann bei mikroskopischem Nachweis säurefester Stäbchen mittels PCR zwischen M. tuberculosis-Komplex und NTM unterschieden werden. Bei Diagnose einer TB sollte immer auch ein HIV-Test gemacht werden.

Therapie:

Die TB-Therapie kann gut ambulant durchgeführt werden. Selbst bei offener Lungen-TB ist unter bestimmten Voraussetzungen eine Hospitalisation nicht zwingend (ausreichendes Sprachverständnis, gute Adherence, genügendes soziales Netz für eine Isolierung zu Hause). Bei V.a. Miliar-TB, Meningitis oder Perikarditis sollte auch bei noch ausstehendem Erregernachweis mit der Therapie begonnen werden. Meist kann jedoch der Erregernachweis mittels Kultur, Mikroskopie bzw. PCR abgewartet werden.

In der Schweiz ist die multiresistente TB glücklicherweise noch selten (knapp 6% bei St.n. früherer TB-Therapie, 1% ohne vorgängige TB-Therapie), weltweit jedoch auf dem Vormarsch (>6% in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion). Ursächlich für die Resistenzentwicklung sind Therapiefehler (falsches Therapieschema, ungenügende Medikamentenspiegel z.B. durch schlechte Adhärenz). Von MDR-TB (multi-drug-resistant) spricht man, wenn mindestens eine Isoniazid- und Rifampicin-Resistenz vorliegt, von XDR-TB (extensively drug-resistant) bei zusätzlichem Vorliegen einer Chinolon-Resistenz sowie wenigstens einer weiteren Resistenz gegenüber Capreomycin, Kanamycin oder Amikacin.

Die Standardtherapie (insgesamt 6 Monate) besteht aus einer 2monatigen Viererkombination (Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid, Ethambutol, z.B. 4 Tbl. Rimstar bei 55-70kg), wobei Ethambutol bei Nichtvorliegen von Resistenzen vorzeitig gestoppt werden kann (evtl. Wechsel auf Rifater), und einer anschliessenden 4monatigen Zweierkombination mit Isoniazid und Rifampicin (4Tbl. Rifinah bei >50kg). Zur Adherence-Kontrolle kann die Anzahl eingenommener Tabletten, die Orange-Färbung des Urins unter Rifampicin sowie ein Harnsäureanstieg unter Pyrazinamid herangezogen werden. Ein Transaminasenanstieg auf >3x obere Norm kann einen Therapieabbruch erforderlich machen. Die Polyneuropathie kann durch Vitamin B6-Gabe verhindert werden. Zur Monitorisierung des Therapieansprechens dienen Sputum-Kontrollen (Monate 1 und 2 sowie Therapie-Ende) sowie Röntgen-Thorax-Kontrollen (Monate 2 und 6).

Bei der TB handelt es sich um eine meldepflichtige Erkrankung. Die Umgebungsabklärung erfolgt durch die Lungenliga im Auftrag durch den Kantonsarzt.

 

bject height="498" width="640">mbed allowfullscreen="true" allowscriptaccess="always" base="http://content.screencast.com/users/infekt_kssg/folders/Default/media/52735b16-9694-44c6-a0b4-389115bb60b1/" bgcolor="#FFFFFF" flashvars="thumb=http://content.screencast.com/users/infekt_kssg/folders/Default/media/52735b16-9694-44c6-a0b4-389115bb60b1/FirstFrame.jpg&containerwidth=640&containerheight=498&content=http://content.screencast.com/users/infekt_kssg/folders/Default/media/52735b16-9694-44c6-a0b4-389115bb60b1/Schmid_Patrick.mp4" height="498" quality="high" scale="showall" src="http://content.screencast.com/users/infekt_kssg/folders/Default/media/52735b16-9694-44c6-a0b4-389115bb60b1/flvplayer.swf" type="application/x-shockwave-flash" width="640">

 

Links:
Gesundheitsdepartment, Kantonsärztlicher Dienst – Formulare und Merkblätter
TB-Handbuch der Lungenliga (Kurzversion, inkl. Meldeformulare u. Anleitung Umgebungsabklärung, 1345kb)
– TB-Handbuch der Lungenliga (ausführlich, 1591kb)