Aktivierung des Immunsystems – Im Zentrum des Interesses
Wir haben schon über die Bedeutung der Virussuppression und des latent infizierten Zellpools berichtet (CROI 2009, Wo versteckt sich HIV?). Dieser Artikel fasst einige präsentierte Arbeiten zur Immunaktivierung zusammen.
Zunächst einmal die Arbeit von Theresa Evering et al, #76. Wir haben im o.g. Bericht erwähnt, dass die Bedeutung der Immunaktivierung eine Rolle für die Geschwindigkeit des Zerfalls des latent infizierten Reservoirs haben könnte. Die Autoren haben nun untersucht, ob bei Patienten, welche während einer akuten HIV-Infektion behandelt wurden, die Immunaktivierung einen Einfluss auf die Replikationsrate haben könnte. Dazu haben sie mit aufwendiger Single-Genom-Sequenzierung zwei Patienten unter Therapie während 2 Jahren untersucht. Speziell an der Arbeit war, dass sie einen Patienten mit einer hohen Immunaktivierung und einen mit niedrigem Aktivierungsstatus beobachtet haben und dass sie von beiden Patienten nicht nur Blut, sondern auch Darmbiopsien untersucht hatten.
Keine Virusevolution unter Therapie
Das Resultat ist schnell erzählt: Weder im Blut noch im Darm fand sich unter Therapie irgend ein Zeichen einer Evolution. Das ist hoch interessant. Dough Richman hat dann gefragt, ob wir vielleicht nicht einfach zu wenig lang beobachtet hätten, ob die tiefe Viruslast nicht einfach zu wenig Gelegenheit für eine nachweisbare Evolution des Genoms darstellt. Doch die Befürchtung wurde mit dem Verweis auf die nächste Studie (s. unten) gleich zerstreut. Dies macht das ganze nun hoch interessant. Es bedeutet doch, dass die grossen Unterschiede im Aktivierungsstatus nicht in einem Unterschied in der residuellen Virusreplikation zu suchen sind, sondern dass vielleicht tatsächlich andere Faktoren, wie die Zerstörung des intestinalen lymphatischen Systems mit Freisetzung von LPS für die Aktivierung verantwortlich sind. Siehe dazu unseren Beitrag: Erklärung für schlechte CD4 Erholung unter HIV-Therapie gefunden? Wir bleiben sicherlich dran!
HIV-Virus ist bei "Elite Controllern" aktiv!
Der folgende Beitrag kontrastierte nun mit dem letztgenanten. Hier wurden "Elite Controllers" (EC) untersucht (Mens et al, #77). Also HIV-Infizierte, deren Immunsystem das HIV so gut unter Schach zu halten vermag, dass kein Virus im Blut nachweisbar ist (<50 kp/ml!) und die CD4 Zellen auch nach Jahren sehr hoch bleibt. Mens et al. haben 21 solche Personen untersucht. Dabei haben Sie wirklich Überraschendes festgestellt: Selbst bei diesen Personen mit nicht nachweisbarer Viruslast (mit Single Copy Assay fanden die Autoren im Durchschnitt weniger als 1 Kopie/ml) findet man eine klare Virusevolution über die Zeit. Und zwar zünftig! Das Besondere daran ist aber, dass es praktisch nur zu sog. synonymous Mutationen kommt. Das sind Mutationen im Genetischen Code (von Nukleosiden A,G,U,C) welche auf der Protein-Ebene die gleiche Aminosäure kodieren. Das heisst, dass zwar Mutationen stattfinden, sobald jedoch eine non-synonymous Mutation auftritt, wird diese vom Immunsystem zerstört. Das beweist, dass diese EC ein starkes Immunsystem aufweisen, welche keine Änderung der Virusproteine zulässt. Das ist gerade das Gegenteil von der HAART-bedingten Immunsuppression. Dort verhindert HAART die Replikation vollständig, eine Entwicklung des Genoms – und somit eine Evolution – ist daher gar nicht möglich.
Immunaktivierung bei Exponierten, nicht infizierten Partnern
Man kann nun noch etwas weiter gehen. Die Elite Controllers sind solche, die Glück hatten, weil ihr Immunsystem einfach gut passt oder vielleicht weil sie nur mit einer ganz geringen Virusdosis in Kontakt kamen, was für den Aufbau einer guten Immunantwort genügte, ohne durch eine schwere Infektion das Immunsystem zu zerstören.
Man kann sich nun noch fragen, ob mit einer noch geringeren Infektions-Dosis Menschen auch eine Immunantwort entwickeln, ohne wirklich krank zu werden. In der Tat wissen wir, dass wir bei ca. einem Drittel aller exponierten Personen (nach Nadelstichverletzungen, gleich wie bei Neugeborenen aber auch nach sexuellem Kontakt mit einer infizierten Person) tatsächllich auch eine zelluläre Immunantwort finden.
Eine Gruppe (Restrepo et al, #305) hat nun bei 18 solchen sog. Exposed Seronegatives (ESN) die Immunaktivierungsparameter gemessen und fand eine signifikante Erhöhung der Aktivierungsmarker (blau in nebenstehender Abbildung) wenn diese mit 18 HIV-negativen Personen (grau) verglichen wurde. Rot dargestellt die Aktivierung bei 19 HIV-positiven Patienten.
Interessant an dieser Beobachtung ist, dass wir fast vermuten müssen, dass die ESN immer noch wenig Virusprotein im Körper haben, aber offenbar so wenig, dass das zelluläre Immunsytem das Ganze unter Kontrolle halten kann und keine Antikörper gebildet wurden. Möglich, dass wir es hier mit einem kontinuierlichen Übergang von Gesund – exponiert (ESN) – über EC – zur vollen Infektion zu tun haben und dass alles nur eine Folge der Virusdosis und der Genetischen Prädisposition ist.