PREP: Fallbeispiel einer schlechten Anwendung – und doch eine „Wirkung“
Die Wirkung einer Prä-Exposure-Prophylaxe (PrEP) ist zwar im Tierversuch gezeigt, doch die Methode sollte (noch) nicht zur Prävention empfohlen werden. Ein Fall eines PrEP-Versagens wirft Fragen auf und lässt auch weitere Hoffnungen aufkommen….
Wir hatten in unserem Bericht aus der AIDS-Konferenz in Mexico schon darüber berichtet, dass im Tierversuch Affen, welche eine intermittierende Prävention mit Tenofovir+FTC (Truvada) erhielten, im Falle einer seltenen Ansteckung eine viel geringere Viruskonzentration entwickelten. Nun ist ein ähnlicher Fall bei einem Mann, der zur HIV Prävention regelmässig Truvada einnahm, beobachtet worden.
Der Fallbericht
Der Fall wurde am Aaron Diamond in New York beobachtet. Es handelte sich um einen HIV-negativen Mann, der, um sich vor einer Infektion mit HIV zu schützen, statt Kondome jeweils eine Pille Truvada einnahm. Truvada ist eine Kombination von Tenofovir und Emptricitabine, zwei Nukleosid-Analoga. Die Behandlung zur Prophylaxe kann nicht generell empfohlen werden, denn es fehlen noch Resultate von Studien, welche die Wirkung dieser Präventionsmethode belegt. Doch die positiven Daten aus den Tierversuchen lassen uns hoffen, dass die entsprechenden Studien, die möglicherweise schon in diesem Jahr mit ersten Resultate aufwarten werden, durchaus eine Wirkung der Prä-Exposition belegen werden.
PrEP (oder eher PEP) mit Truvada hat versagt
Im genannten Fallbericht ging es aber um einen Einzelfall eines Therapieversagens. Es handelt sich um einen 38-jährigen Mann, der über mehrere Monate eine Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) mit Truvada (Tenofovir + FTC) eingenommen hatte. Der genaue Einnahmemodus (täglich oder unregelmässig? vor jedem ungeschützten Sexualkontakt? wie lange vor Sexualkontakt?) wurde nicht weiter präzisisert. Jedenfalls hat der Patient das Medikament erhalten, weil er zweimal angegeben hat, ungeschützten Geschlechtsverkehr mit anderen Männern gehabt zu haben. Nach 4 Wochen wurde die PrEP abgesetzt, doch als der Patient dann 3 Wochen später erneut berichtete, am 28.11. mit mehreren Männern ungeschützt Sex gehabt zu haben, wurde am 29.11. eine neue "PrEP" angefangen. Drei Wochen später fand man zum ersten Mal einen positiven HIV-Test.
Infiziert, aber mit mildem Verlauf
Das spezielle am weiteren Verlauf war die Beobachtung, dass die Viruslast bei diesem Patienten auffallend tief blieb. Wichtig auch die Tatsache, dass der Patient nach Absetzen der ersten Truvada-Therapie keine ungeschützten Sexualkontakte mehr hatte bis zu dem Ereignis am 28.11. Wir haben "PrEP" in Anführungszeichen gesetzt, da die zweite Behandlung eigentlich eine Post-Expositionsprophylaxe (PEP) war. Denn der Patient hatte die Sexualkontakte mit mehreren Männern einen Tag vor der Wiederaufnahme der Therapie.
Es ist also möglich, dass eine früh eingesetzte PEP oder die zuvor durchgeführte PrEP dazu führten, dass der Verlauf der Erkrankung abgeschwäch verlief. Doch letztendlich kann diese Frage nur in einer grösseren Studie beantwortet werden. Und natürlich hoffen wir, dass wir in den laufenden PrEP-Studien möglichst wenig Infektionen unter PrEP sehen werden, sodass dieser Fall möglicherweisen wirklich ein spezielle Einzelbeobachtung bleiben wird.
Ist die zelluläre Immunantwort mitbeteiligt?
In diesem Zusammenhang interessant auch die Beobachtung aus einem Tierversuch (Cranage PLoS Med, 2008), dass Rhesusaffen, welche nach rektaler Exposition mit SHIV nach einer Prae-Expositionsprophyaxe nicht angesteckt wurden, aber dennoch eine T-zell-Immunantwort entwickelt hatten. Dies weist darauf hin, dass es tatsächlich zum Kontakt mit Virus kam. Es stellt sich die Frage, ob diese zelluläre Immunantwort auch eine schütztende Wirkung haben könnte. Es wäre also auch möglich, dass beim o.g. Patienten das in den früheren Expositionen "trainierte" zelluläre Immunsystem für den abgeschwächten Verlauf verantwortlich ist.
Keine anderen Erklärungen für den milden Verlauf
Einige wichtige Punkte, welche in der Arbeit ausführlich diskutiert wurden, unterstützen die These, dass die PrEP in diesem Fallbericht tatsächlich etwas bewirkt hat: Das Virus selbst war ohne Resistenzmutation und – fast noch wichtiger – der Mann hatte keine der bekannten Mutationen (HLA und CCR5-Deletion) von welchen bekannt ist, dass sie mit einem abgeschwächten (attenuierten) Verlauf der HIV-Infektion einhergehen.