Hepatitis C: Neue Therapiemöglichkeiten in Sicht

PegInterferon plus Ribavirin ist gerade bei dem in Europa und den USA am häufigsten vorkommenden Genotyp 1 nur zu 40-50% erfolgreich. Neue, direkt gegen das Hepatitis C-Virus wirksame Medikamente stehen kurz vor der Markteinführung. Was darf man sich von ihnen erwarten?
 

Die Enttäuschung ist jeweils gross, wenn es nach 12 Wochen PegInterferon (PEG-IFN) plus Ribavirin (RBV) heisst, dass man wegen fehlenden Ansprechens (<2 log Reduktion der HCV-RNA) die Therapie wieder abbrechen muss, und vielleicht noch einmal grösser, wenn man 6 Monate nach einer abgeschlossenen, nicht gerade nebenwirkungsarmen Therapie (bei Genotyp 1 immerhin 48 Wochen) erfährt, dass nun doch wieder HCV-RNA nachweisbar ist. Kommt hinzu, dass im Falle eines Therapieversagens bislang keine anderen Therapiemöglichkeiten angeboten werden konnten. Aber die Medikamentenentwicklung steht auch im Bereich Hepatitis C nicht still. Bereits in den kommenden 5 Jahren kann mit der Markteinführung von Protease- und Polymerasehemmern gerechnet werden, welche – im Unterschied zu PegInterferon und Ribavirin – direkt gegen das Hepatitis C-Virus wirksam sind.

1) Wirksamkeit von HCV-Protease- und -Polymerasehemmern

Am weitesten fortgeschritten ist die Entwicklung der beiden Proteasehemmer Telaprevir und Boceprevir, welche sich nun in Phase III-Studien befinden.
Bei Therapie-naiven Patienten mit HCV-Genotyp 1 erzielte Telaprevir in Kombination mit PEG-IFN und RBV in bis zu 68% ein dauerhaftes Therapieansprechen (SVR = sustained virologic response = HCV-RNA negativ 24 Wochen nach Therapieabschluss) (Dusheiko et al., 2008; PROVE).
Im gleichen Patientengut erreichte Boceprevir in Kombination mit PEG-IFN und RBV in bis zu 74% eine negative HCV-RNA 12 Wochen nach Therapieabschluss (früher Surrogat-Marker für SVR) (Schering-Plough, 2008; SPRINT).

Bei den Polymerasehemmern unterscheidet man Nukleos(t)id- und Nicht-Nukleos(t)id-Inhibitoren. Innerhalb der HCV-Polymerase konnten insgesamt mindestens 5 verschiedene Angriffspunkte identifiziert werden.
Mit den beiden in Phase II befindlichen Nukleosid-Inhibitoren R1626 und R7128 wurde – jeweils kombiniert mit PEG-IFN und RBV – nach 4 Wochen eine Reduktion der HCV-RNA um etwa 5 log U/ml erzielt.
Der Angriffspunkt von Nicht-Nukleosid-Inhibitoren liegt ausserhalb des katalytischen Zentrums der HCV-Polymerase. In einer Phase I-Studie resultierte die Behandlung mit dem Nicht-Nukleosid-Inhibitor VCH-759 in einer durchschnittlichen maximalen HCV-RNA-Reduktion um 2,5 log U/ml.

2) Monotherapie möglich, PegInterferon verzichtbar?

Die gute Wirksamkeit der direkt gegen HCV gerichteten Medikamente weckte Hoffnungen, man könne allenfalls auf PEG-IFN und/oder RBV verzichten. Recht bald schon musste man aber erkennen, dass eine Monotherapie mit diesen neuen Substanzen innerhalb nur einer Woche zur Resistenzentwicklung führt. Entsprechend sollten sie nicht allein gegeben werden und PEG-IFN bleibt vorerst unverändert ein grundlegender Bestandteil der HCV-Therapie (bessere HCV-RNA-Suppression und verminderte Resistenzentwicklung).

Beispielsweise erzielte Telaprevir plus PEG-IFN für 14 Tage bei HCV-Genotyp 1-Patienten eine grössere HCV-RNA-Reduktion (5,5 log U/ml) als entweder Telaprevir (4,0 log U/ml) oder PEG-IFN (1,0 log U/ml) allein. Bei der Kombinationstherapie wurden bei deutlich weniger Patienten Resistenzen gefunden (2/7 gegenüber 7/8 bei Telaprevir-Monotherapie) (Forestier et al., 2007).

3) Ribavirin verzichtbar?

Die Erfahrungen sowohl mit Protease- als auch Polymerasehemmern lassen vermuten, dass auch Ribavirin in absehbarer Zukunft nicht aus der HCV-Therapie wegzudenken ist (verminderte Resistenzentwicklung, besseres Therapieansprechen und geringere Relapse-Rate).

Bei einer aus Telaprevir, PEG-IFN und RBV bestehenden Triple-Therapie lag die Rate für ein virologisches Versagens unter Therapie bei 2%, wenn Ribavirin weggelassen wurde dagegen bei 26% (Dusheiko et al., 2008; PROVE). Ein dauerhaftes Therapieansprechen (SVR) resultierte unter Triple-Therapie in 62% (ohne Ribavirin 36%) und die Relapse-Rate betrug 29% (ohne Ribavirin 48%).

Nukleosid-Inhibitor R1626 plus PEG-IFN für 4 Wochen führte bei 29% zu einer nicht mehr nachweisbaren HCV-RNA, verglichen mit 74% bei einer Ribavirin-enthaltenden Triple-Therapie. Der mittlere HCV-RNA-Abfall nach 4 Wochen lag bei 3,6 bzw. 5,2 log U/ml  (Pockros et al., 2008).

4) Zusätzliche Nebenwirkungen bei Kombination mit PEG-IFN plus RBV?

Die meisten bisherigen Studien, in denen ein direkt gegen HCV gerichtetes Medikamente mit PEG-IFN und RBV kombiniert wurde, zeigten eine Zunahme der Nebenwirkungen und der Therapieabbruchrate.

Telaprevir: Gastrointestinale Nebenwirkungen, Hautausschlag und Anämie waren im Triple-Therapie-Arm häufiger als bei PEG-IFN plus RBV allein (Dusheiko et al., 2008; McHutchison et al., 2008; PROVE). Die Therapieabbruchrate in den ersten 12 Wochen lag unter Triple-Therapie bei 18%, bei PEG-IFN plus RBV allein hingegen nur bei 4%.

Boceprevir: Die Häufigkeit von Anämie und Geschmackstörungen war unter Triple-Therapie höher als mit der Standardtherapie, was sich auch in höheren Abbruchraten widerspiegelte (26-26% versus 14%) (Kwo et al., 2008; Schiff et al., 2008; SPRINT).

Nukleosidinhibitor R1626: Bereits unter Monotherapie traten Dosis-begrenzende gastrointestinale Nebenwirkungen und milde bis moderate reversible Leukopenie auf (Roberts et al., 2008). In Kombination mit PEG-IFN wurden bei 78% Grad 4-Neutropenien beobachtet (auch in niedrigerer Dosierung noch 42-52%). 39% hatten eine Anämie Grad 3-4. Die hämatologische Toxizität verschwand grösstenteils, nachdem R1626 gestoppt, PEG-IFN-Therapie jedoch fortgesetzt wurde. Gastrointestinale Nebenwirkungen und Hautausschlag waren unter R1626 plus PEG-IFN ebenfalls häufiger als mit PEG-IFN allein (Pockros et al., 2008).

Nukleosidinhibitor R7128: scheint in Kombination mit PEG-IFN plus RBV dagegen allgemein gut verträglich zu sein. Grad 3/4 hämatologische Toxizität war selten und in ihrer Häufigkeit vergleichbar mit PEG-IFN plus RBV allein. Kopfschmerzen, Müdigkeit und Schüttelfrost traten häufiger auf (jedoch ausnahmslos als mild angegeben) (Lalezari et al., 2008).

5) Nutzen einer Einleitungsphase mit PEG-IFN plus RBV?

Durch eine Einleitungsphase könnten PEG-IFN plus RBV-Responder von Non-Respondern unterschieden werden. Ausserdem ist durch Reduktion der Viruslast vor Zugabe der direkt gegen HCV wirkenden Medikamente theoretisch mit einer geringeren Resistenzentwicklung zu rechnen.

Bislang gibt es hierzu aber erst eine Studie mit nur geringer Patientenzahl. Bei Therapie-naiven HCV-Genotyp 1-Patienten wurde nach einer 4 wöchigen Einleitungsphase mit PEG-IFN plus RBV die Behandlung noch für 24 bzw. 44 Wochen mit einer Boceprevir-enthaltenden Tripel-Therapie fortgesetzt. Gegenüber einer 28 bzw. 48wöchigen Standardtherapie mit PEG-IFN plus RBV lagen die Ansprechraten (SVR nach 24 bzw. 12 Wochen) bei 56% versus 55% bzw. 74% versus 66% (Schering-Plough, 2008; SPRINT). 

6) Verkürzte Therapiedauer möglich?

Wie aus den unter 5) aufgeführten Daten hervorgeht, scheint für Boceprevir eine 48wöchige Therapie notwendig zu sein, um die Ansprechraten zu maximieren.

Für Telaprevir könnten dagegen 24 Wochen ausreichen. Die Ansprechraten für eine 12wöchige Telaprevir enthaltende Tripeltherapie mit anschliessend nochmals 12 versus 36 Wochen PEG-IFN plus RBV fielen mit 61% bzw. 68% (PROVE 1 bzw. 2) versus 67% (PROVE1) vergleichbar aus. Bei nur 12wöchiger Tripletherapie waren die Relapseraten gegenüber einem Schema mit sich daran anschliessender 12wöchiger Konsolidationstherapie mit PEG-IFN plus RBV deutlich höher (33% bzw. 29% versus 2 bzw. 14% in PROVE 1 bzw. 2) (PROVE 1: McHutchinson et al., 2008; PROVE 2: Dusheiko et al., 2008).

7) Resistenzentwicklung und -testung

In vitro Analysen haben erwartungsgemäss gezeigt, dass es unter Proteasehemmern zu Resistenzumutationen im NS3- und unter Polymerasehemmern zu Resistenzmutationen im NS5B-Gen kommt.

Resistenzanalysen unter Telaprevir-Monotherapie haben gezeigt, dass ein HCV-RNA-Abfall zum Teil auch dann noch beobachtet werden kann, wenn bereits Resistenzen detektierbar sind. Somit scheint das Vorhandensein von Resistenzen nicht zwingend mit einem Therapieversagen einherzugehen. Eine Hauptsorge ist jedoch, dass eine fortgesetzte Monotherapie zur Akkumulation von Resistenzmutationen führt.

Zwischen den beiden Proteasehemmern Telaprevir und Boceprevir scheint es eine Kreuzresistenz zu geben, so dass ein Klasseneffekt angenommen werden muss und sie nicht gegenseitig als Salvage-Therapie eingesetzt werden können. Die resistenten Virus-Mutanten bleiben jedoch gegenüber PEG-IFN sowie RBV empfindlich, so dass sie mit der bisherigen Standardtherapie (i.R. einer Kombinationstherapie oder während der Konsilidationsphase) eliminiert werden können (Kieffer et al., 2007).

Wenn eine Telaprevir-Monotherapie beendet wird und somit der Selektionsdruck wegfällt, werden die resistenen Virusmutanten innert 3-7 Monaten mehrheitlich durch Wildtyp-Viren ersetzt (Sarrazin et al., 2007).

Für den Nachweis von Resistenzen ist die Art des Resistenztests entscheidend. Mit der sensitiveren klonalen Sequenzanalyse (30-80 Klone pro Probe) können bereits nach 2tägiger Telaprevir-Gabe Virusmutanten in einer Häufigkeit von 5% detektiert werden, während die Populations-bezogene Sequenzanalyse noch zu 100% Wildtypvirus suggeriert.

8) Erfolgsaussichten für Non-Responder unter PEG-IFN plus RBV

Patienten, welche unter PEG-IFN plus RBV kein dauerhaftes Therapieansprechen erreicht haben, scheinen von einer Telaprevir enthaltenden Tripel-Therapie profitieren zu können.

Nach 4wöchiger Therapie war bei insgesamt 83% dieser Patienten keine HCV-RNA mehr nachweisbar (RVR = rapid virologic response). Patienten mit vorgängig virologischem Versagen unter Therapie oder Relapse hatten RVR-Raten von 100%, während frühere Null-Responder (<1 log U/ml HCV-RNA-Reduktion nach 4 Wo oder <2 log U/ml HCV-RNA-Reduktion nach 12 Wo) RVR-Raten von 70-75% zeigten (Poordad et al., 2008). Für eine andere Studie, welche ebenfalls Patienten ohne SVR nach PEG-IFN plus RBV-Therapie untersucht hat, liegen bereits SVR-Resultate vor. Nach 12 Wochen Telaprevir-basierter Tripel-Therapie und anschliessend noch 12 Wochen PEG-IFN plus RBV erzielten 52% dieser Patienten eine SVR 12 Wochen nach Therapieende (41% der früheren Non-Responder, 73% der Relapser und 44% der ehemaligen Versager unter Therapie) (McHutchinson et al., 2008; PROVE3).

Dagegen schnitt Boceprevir (in Kombination mit PEG-IFN plus RBV) bei früheren Non-Respondern mit SVR-Raten von nur 7-14% enttäuschend ab (Schiff et al., 2008). Allerdings handelte es sich um eine Dosisfindungsstudie, in deren Verlauf die Boceprevir-Dosis gesteigert wurde, so dass die Interpretierbarkeit der Daten eingeschränkt ist.

9) Zukunftsmusik

In 5 Jahren könnten die ersten direkt gegen HCV wirksamen Medikamente für eine Kombinationstherapie mit PEG-IFN plus RBV zugelassen sein. Aufgrund bereits vorliegender Daten kann angenommen werden, dass die Tripel-Therapie die SVR-Raten bei HCV-Genotyp 1-Patienten von 40% auf mindestens 60% steigert und gleichzeitig die Relapse-Raten von aktuell 20-30% auf 5-10% senkt. Obgleich die Behandlungsdauer für einen Teil der Patienten verkürzt werden kann, dürften die Abbruchraten angesichts der unter Tripel-Therapie vermehrt auftretenden Nebenwirkungen ansteigen.

In 10 Jahren könnte die derzeit in Studien übliche Tripeltherapie mit einem direkt gegen HCV wirksamen Medikament, PEG-IFN und RBV durch eine Kombinationstherapie z.B. aus Protease- und Polymerasehemmer plus PEG-IFN abgelöst werden, so dass dann zumindest auf Ribavirin verzichtet werden könnte.

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Quelle: Thompson et al., Journal of Hepatology 2009;50(1):184-194