Wie Geschlechtskrankheiten das HIV-Übertragungsrisiko erhöhen – Erkenntnisse aus einem ex vivo-Modell
Bei Vorliegen einer Geschlechtskrankheit steigt das Risko, sich beim Sexualkontakt mit HIV zu infizieren. Dabei scheint den Langerhans-Zellen unter dem Einfluss von Entzündungsmediatoren eine entscheidende Rolle zuzukommen.
Da die sexuelle HIV-Transmission weltweit den Hauptübertragungsweg darstellt und für HIV derzeit weder eine kurative Therapie noch ein Impfstoff zur Verfügung steht, ist ein genaueres Verständnis der die sexuelle HIV-Transmission begünstigenden Faktoren essentiell, um die weiterhin wachsende HIV-Pandemie eindämmen zu können. Geschlechtskrankheiten, welche mit einer erhöhten Empfänglichkeit betreffend HIV in Verbindung gebracht werden, sind zum Beispiel Herpes genitalis, Gonorrhoe, Syphilis und Chlamydien-Infekte sowie Candida- und bakterielle Vaginalinfekte. Als zugrundeliegende Mechanismen werden diskutiert: zum einen die Rekrutierung von HIV-Zielzellen an den Ort der Infektion und zum anderen das Verursachen von Ulzerationen mit konsekutiver Blutung. de Jong et al. sind in ihrem ex vivo-Modell der Hypothese nachgegangen, dass zusätzlich auch Erregerbestandteile (sog. pathogene Strukturen) oder durch die Geschlechtskrankheit induzierte inflammatorische Zytokine für die gesteigerte HIV-Übertragungsrate von Bedeutung sind.
Langerhans-Zellen sind eine Unterform der dendritischen Zellen (Antigen-prozessierende und -präsentierende Zellen), welche in der Epidermis der Haut und in Mucosa-Epithelien (Schleimhäuten) wie Ektozervix, Vagina und Vorhaut vorkommt. Entsprechend sind es wahrscheinlich die ersten Zellen, welche bei der sexuellen Transmission mit dem HI-Virus in Kontakt kommen. Langerhans-Zellen können selbst durch HIV infiziert werden und das Virus auf T-Zellen übertragen. Dieser Prozess ist unter Normalbedingungen allerdings nicht sehr effizient. Spezifisch von den Langerhans-Zellen gebildetes Langerin fängt das HI-Virus ein und führt es der Degradation in den sogenannten Birbeck-Granula zu. Im Falle einer Blockade oder aber Sättigung der Langerin-Funktion durch hohe Viruskonzentrationen kann diese schützende Barriere aber überwunden werden.
Im Falle einer Geschlechtskrankheit vorhandene inflammatorische Zytokine sowie "pathogen-associated molecular patterns" (PAMPs), welche von TLRs (Toll-like receptors) erkannt werden, können die Barriere-Funktion der Langerhans-Zellen aufheben und somit die HIV-Transmission erleichtern.
Ex vivo menschliches Haut-Modell zur Untersuchung des Effekts von Entzündung auf die HIV-Transmission
Auf Medium schwimmende 1cm2 grosse Flächen menschlicher Epidermis von gesunden Spendern, welche sich einer korrigierenden Brust- oder Bauch-Operation unterzogen, wurden mit unterschiedlichen Stimuli inkubiert und nach 6 Stunden mit HIV-1-eGFP (R5-troper, rekombinanter HIV-Stamm, welcher bei Replikation GFP (green flourescent protein) exprimiert) inokuliert. Nach 3 Tagen entfernte man die Epidermis-Flächen und gab für nochmals 7 Tage CCR5-positive Jurkat T-Zellen hinzu.
Flowzytometrisch wurden nach 3 Tagen die aus der Epidermis ausgewanderten Langerhans-Zellen bezüglich HIV-Infektion untersucht, wobei die GFP-Expression als Marker für das Vorliegen einer HIV-Infektion diente. 5, 7 und 10 Tage nach Zusatz der CCR5-positiven Jurkat-T-Zellen bestimmte man die GFP-positiven und somit HIV-infizierten T-Zellen als Marker für die HIV-Übertragung durch die Langerhans-Zellen. Als Kontrolle für die HIV-Infektion diente der Zusatz der gleichen Menge HIV-1-eGFP zu Medium ohne Epidermis-Flächen. Die Proben wurden anschliessend in gleicher Weise wie oben beschrieben weiterverarbeitet.
Resultate
In Abwesenheit eines Stimulus war der Anteil HIV-infizierter CD1a-positiver Langerhans-Zellen mit <0,5% gering, obwohl mit 1,2 x 10^4 IU pro Epidermis-Fläche relativ hohe Viruskonzentrationen eingesetzt wurden (Sättigung der protektiven Funktion des Langerins). 7 bzw. 10 Tage nach Zusatz der CCR5-pos. T-Zellen waren durchschnittlich 1,8% bzw. 14,4% der T-Zellen mit HIV infiziert. Da bei hohen Viruskonzentrationen auch nach 3 Tagen eine kleine Menge Virus infektiös bleibt, betrug auch in Abwesenheit der Langerhans-Zellen (keine Epidermis-Fläche) der Anteil inifzierter T-Zellen nach 7 bzw. 10 Tagen immerhin noch 0,55% bzw. 1,16%.
Candida albicans, Neisseria gonorrhea sowie diverse TLR-Agonisten wie Pam3CSK4 (Pam3CysSerLys4 = synthetisches Lipopeptid, TLR1/TLR2-Ligand), LTA (Lipoteichonsäure = Zellwandbestandteil grampositiver Bakterien, TLR2/TLR6-Ligand), LPS (Lipopolysaccharid = Zellwandbestandteil gramnegativer Bakterien, TLR4-Ligand) und Flagellin (Protein der Bakerien-Geisseln, TLR5-Ligand) induzierten die TNF-alpha-Produktion in Haut- und Vaginalbiopsien. Von TNF-alpha ist bekannt, dass es die HIV-Replikation in T-Zellen durch Aktivierung von NF-kB verstärkt.
Sowohl TNF-alpha als auch der TLR1/TLR2-Ligand Pam3CSK4 führten zu einer deutlich verstärkten HIV-Transmission durch die Langerhans-Zellen (25-50% infizierte T-Zellen unter TNF-alpha- u. 5-50% inifzierte T-Zellen unter Pam3CSK4-Behandlung (p<0,001 bzw. p<0,01) am 7. Tag nach T-Zell-Zusatz), wobei die zugrunde liegenden Mechanismen unterschiedlich waren. TNF-alpha erhöht die HIV-Replikation in Langerhans-Zellen (de novo-Produktion), während Pam3CSK4 das Andocken von HIV an Langerhans-Zellen und die nachfolgende Trans-Infektion von T-Zellen steigert (direkte Übertragung des selben Viruspartikels, welcher zwischenzeitlich an der Zelloberfläche gebunden bleibt und nicht internalisiert wird). Die TLR-Agonisten LTA, LPS und Flagellin zeigten demgegenüber nur in manchen Spendern eine minimale Steigerung der HIV-Transmission, so dass insgesamt keine Signifikanz erreicht wurde.
Conclusion:
Unter dem Einfluss von – bei Geschlechtskrankheiten vorhandenen – inflammatorischen Zytokinen (TNF-alpha) und pathogenen Strukturen (TLR1/TLR2-Aktivierung) spielen die Langerhans-Zellen für die Acquisition von HIV eine entscheidende Rolle. Entsprechend sollten entzündliche Prozesse im Bereich des Genitaltrakts und insbesondere Geschlechtskrankheiten im Sinne der Prävention sexueller HIV-Übertragungen behandelt werden.