Tenofovir: keine Bedenken bei Nierengesunden

Tenofovir kann besonders bei HIV-infizierten mit vorgeschädigter
Nierenerkrankung eine Niereninsuffizienz verursachen. Bei guter
Nierenfunktion vor Therapiebeginn ist die Funktion unter Therapie kaum wesentlich reduziert, wie eine Analyse
zweier Studien zeigt.


Tenofovir (TDF) kann die Nierenfunktion beeinträchtigen. Wir wissen, dass es im proximalen Tubulus die Funktion der Tubuluszelle stört und die Ausscheidung von Phosphat erhöht. Phosphat ist wichtig für zahlreiche Funktionen. Der Körper kompensiert den Phosphatverlust durch Rückresorption aus dem Knochen. Doch wir wissen nicht, ob dies längerfristig einen Effekt auf die Knochendichte hat.

Ob TDF auch die Nierenfunktion beeinträchtigt, ist ebenso umstritten. Chemisch verwandte Substanzen bewirken schwere Nierenschäden, dies war der Grund zur Vorsicht seit der Einführung von TDF. Es gibt inzwischen einige Berichte von Patienten mit schwerer Niereninsuffizient unter TDF, doch in der Regel war immer eine vorbestehende Nierenerkrankung schon vorhanden.

Registrationsstudien retrospektiv analysiert
In der vorliegenden Untersuchung (Gallant et al) wurden alle Patienten (n=1111) aus den beiden grossen Registrationsstudien von TDF (Gilead 903 und 934) näher analysiert. In beiden Studien wurde TDF gegen ein Thymidin-analog (D4T resp. AZT) verglichen.

Die Niereninsuffizienz wurde mit den beiden gängigen Formeln (Cockroft-Gault resp. MDRD) alle 6 Monate über 3 Jahre gemessen.

Die Analyse belegt zwar einen signifikanten (p<0.05) Unterschied zwischen den beiden Gruppen (TDF vs. Thymidin-Analoga), doch die Veränderung der Nierenfunktion gemessen an der errechneten glomerulären Filtrationsrate (GFR) ist wirklich minimal (5 resp. 1ml/‘, s. Abbildung).


Keine Gefahr bei (praktisch) normaler Nierenfunktion
Somit darf man wohl davon ausgehen, dass bei Patienten mit normaler Nierenfunktion die Tenofovir-Gabe soweit nun beurteilbar bezüglich Nierenfunktion unbedenklich ist. Natürlich ist das Problem bei jeder Medikamentenprüfung, dass immer Patienten mit anderen vorbestehenden Krankheiten möglichst ausgeschlossen werden. So wurden auch Patienten mit manifester Niereninsuffizienz in diesen Studien ausgeschlossen.

Um dies etwas zu kompensieren, haben die Autoren auch die Subgruppe analysiert, welche bei Studienbeginn bezüglich Nierenfunktion im schlechtesten Viertel waren (GFR 50-80ml/‘). Auch hier zeigte sich kein grösserer Abfall der Nierenfunktion.

Phosphatverlust und Knochenschwund noch zu klären
Die längerfristigen Folgen des Phosphatverlustes aus dem Knochen müssen noch weiter untersucht werden. Bisher gibt es keine Anzeichen, dass der Abbau des Knochens nach dem ersten Jahr Tenofovirtherapie noch weiter zunimmt. Ob eine Gabe von Calzium und Vitamin D den Knochenabbau verhindern kann, ist ebenfalls noch nicht bekannt. Diese Fragen müssen nun in weiteren Post-Marketing-Studien untersucht werden.

Quelle: Gallant et al, AIDS 2008; 22:2155-63