Perorale "Antikörpertherapie"
Schon lange ist bekannt, dass schützende mütterliche Antikörper auch nach der Geburt über die Muttermilch an das Kind weitergegeben werden. Der genaue Mechanismus war jedoch bisher unklar.
Eine Arbeit, erschienen in Nature, zeigt nun erstmals die Mechanismen, die zur Aufnahme der Antikörper über die Darmschleimhaut der Säuglinge führen.
Studiert wurde der Prozess im Tiermodell Ratte. Die Aufnahme der Antikörper erfolgte im Dünndarm über sogenannte neonatale Fc-Rezeptoren (FcRn) in der Membran der Dünndarmepithelzellen. Die Existenz dieser Rezeptoren ist in verschiedenen Körpergeweben ist schon länger bekannt (Review).
Die spektakulären Bilder wurden mittels einer Technik, die als Elektronen Tomographie bezeichnet wird erstellt. Ähnlich der Computertomographie können auch 3-dimensionale Bilder errechnet werden. Der dynamischer Prozess wurde aus einer Abfolge von zeitlich versetzten statischen Bildern bestimmt. Die Antikörper wurden mit Hilfe von Nanogoldpartikeln sichtbar gemacht.
Einfach zusammengefasst: die Muttermilch gelangt in den Dünndarm. Die Antikörper werden dort über FcRn tragende Mukosa-Zellen im Duodenum und Jejunum aufgenommen. Anschliessend erfolgt ein Prozess, der als Transzytose bezeichnet wird und teilweise mit Unterstützung von Strukturen des Zytoskeletts (u.a. Mikrotubuli) erfolgt. Im Prinzip ist dies ein aktiver, Engergie verbrauchender Transport durch die Mukosazelle.
Quelle der Graphik: FcRn-mediated transcytosis
Abkürzungen und Erklärungen zur Graphik: TJ, tight junctions; NU, nucleus; green, apical membrane; cyan, basolateral membrane; red dashes, clathrin; pink straws, microtubules; gold spheres, Au-Fc; black arrows, early trafficking steps; grey arrows, later trafficking steps; green arrow, endocytosis of FcRn-containing coated pit after ligand release; cyan arrow, excess Au-Fc transferred to late endosome (rarely observed). Multiple arrows indicate parallel pathways.
Dass der Mechanismus im Dünndarmepithel von menschlichen Säuglingen ähnlich abläuft ist wahrscheinlich, die Rezeptoren sind auch in verschiedenen Geweben beim Menschen existent. Der in der Darmmukosa identifizierte Rezeptor vermittelte Transport soll nun auch in den anderen Körpergeweben untersucht werden.
Möglicherweise erlauben sich daraus ergebende Erkenntnisse dereinst alternative Darreichungsformen von Immunotherapien wie z.B. transkutan (den auch Keratinozyten haben diese Rezeptoren! siehe: Expression of FcRn, the MHC Class I-Related Receptor for IgG, in Human Keratinocytes) oder auch peroral. Da intravenöse oder subkutane verabreichte Antikörper zunehmend als Therapeutika immunologischer, rheumatologischer, und onkologischer Erkrankungen eingesetzt werden, wäre dies ein enormer Fortschritt für betroffene Patienten.