Müde Kämpfer – Alterungsprozess HIV-spezifischer Killerzellen

 Der unterschiedliche Verlauf einer HIV-Infektion (progressiv versus nicht-progressiv) bleibt weiterhin ein spannendes Forschungsthema.

Einige Faktoren sind bekannt: genetische Faktoren, Eigenschaften der verschiedenen HI-Virustypen und Unterschiede in den Abwehrmechanismen des Immunsystems. Vieles bleibt ungeklärt.

Wissenschaftler aus Baltimore haben nun die Regenerationsfähigkeit HIV-spezifische CD8+ T-Zellen untersucht und zeigen, dass die Aktivität der Telomerase und damit auch die Telomerlänge der Chromosome bei progressiver und nicht-progressiver HIV-Infektion unterschiedlich ist.

Ursächlich beteiligt ist möglicherweise ein Bremsmechanismus des Immunsystems: die Expression von PD-1 auf der Zelloberfläche. Ein Zeichen für die Erschöpfung ("Exhaustion") der entsprechenden Immunzellen.

HIV-spezifische Killerzellen (Synonym: zytotoxische Zellen, CD8+-T-Zellen) sind das wesentliche Abwehrbollwerk im Kampf des Körpers gegen HIV.

Mathias Lichterfeld und seine Kollegen haben die Aktivität der Telomerase dieser Zellen untersucht. Diese körpereigene reverse Transkriptase regeneriert Telomere, die bei Zellteilungen verloren gehen und zur Stabilisierung der Chromosomen beitragen.

Telomere werden auch mit der Zellalterung in Verbindung gebracht: je kürzer die Telomere, desto älter die Zelle und damit näher an ihrem Zelltod. Im Zusammenhang mit alterndem Immunsystem spricht man auch von Immunosenescence.

Verständlich erscheinen demnach die Resultate aus Baltimore:

Killerzellen von Patienten mit nicht-progressiver HIV-Infektion (N=13) haben eine höhere Aktivität der Telomerase und längere Telomere verglichen mit Killerzellen von Patienten mit progressiver HIV-Infektion (N=9). Diese Parameter sind sogar vergleichbar der Situation bei frischer (akuter) HIV-Infektion (N=6). Mit anderen Worten: die Killerzellen behalten bei nicht progressiver HIV-Infektion ihre Jugend!

Die Jugendlichkeit der Zellen wurde über den direkten Zusammenhang zwischen Effektorfunktion der Killerzellen und Telomerlänge gezeigt.

Natürlich stellt sich die Frage nach dem Jungbrunnen?

Schon länger bekannt ist, dass HIV-spezifische zytotoxische T-Zellen häufiger Erschöpfungszeichen zeigen, d.h. verstärkt den Marker PD-1 an ihrer Oberfläche exprimieren. Die Blockade der Bindung von PD-1 an die entsprechenden Liganden auf den dendritischen Zellen (Antikörper gegen PD-L1) führte in den Experimenten der Wissenschaftler zu einer Zunahme der Telomeraseaktivität und damit auch der  Telomerlängen bei progressiver HIV-Infektion.

Die vorliegenden in vitro Daten zeigen nicht zum ersten Mal, dass die Blockade der Bindung von PD-L1 an PD-1 auf den ermüdeten Killerzellen einerseits die Apoptose dieser wichtigen Zellen verhindert und andererseits die müden Krieger wieder weckt.

Interessanterweise ist ein Medikament (MDX-1105), ein anti-PD-L1-Antikörper bereits verfügbar. Er steht kurz vor der Untersuchung in einer klinischen Phase 1-Studie von Patienten mit soliden Tumoren (Niere, Lunge, Haut, Ovar) -> siehe Phase 1 Open Label Study of MDX-1105 in Subjects With Solid Tumors. Der Einsatz dieses Medikaments zur Reaktivierung ermüdeter Killerzellen bei HIV-Infektion, ist derzeit sicherlich verfrüht.

Quelle: Lichterfeld et al, 2008, Blood