"Neue" Guidelines, und doch nicht NEU!

Das National Institut for Health and Clinical Excellence (NICE) in Grossbritannien hat Guidelines zur antibiotischen Therapie bei Infekten der oberen Luftwege erlassen. Obwohl bekannt ist, dass Antibiotika praktisch keinen Benefit auf Infekte der oberen Luftwege haben, wird in Grossbritannien noch bei 60% der Patienten antibiotisch behandelt.

Das NICE hat diese "neuen" Richtlinien erlassen, weil in Grossbritannien immer noch ein Grossteil der niedergelassenen Ärzte bei Infekten der oberen Luftwege eine antibiotische Therapie verschreiben.

Zugegeben ist diese Praxis  nicht nur in Grossbritannien üblich, sondern in einigen Ländern Europas. Wenn wir die Studie von Filippini et al (Bild) anschauen, welche den Antibiotikakonsum in der Schweiz im ambulanten Bereich (2002) mit dem Verbrauch in anderen europäischen Staaten vergleicht, dann sehen wir, dass in der Schweiz im ambulanten Bereich weniger als in allen anderen Ländern der EU ein Antibiotikum verschrieben wird.

Dies ist ein grosses Lob für all unsere Kollegen und Kolleginnen in der Praxis wert!

Die NICE Richtlinien in Grossbritannien haben zum Ziel, dass der Antibiotikakonsum in grossbritannien auf das Niveau von Holland gedrückt wird. In der Schweiz sind wir noch besser als Holland!!!

 

 

 

 

Die NICE Richtlinien halten das Vorgehen bei Infekten der oberen Luftwege nochmals fest, etwas das bei uns offensichtlich schon so praktiziert wird, aber für all diejenigen, die es nochmals schwarz auf weiss haben wollen hier die Essenz im British medical journal 2008. Die Empfehlungen gelten für Kinder ab 3 Monate und für Erwachsene mit akuter Otitis media, akuter Tonsillopharyngitis, akuter Rhinosinusitis und akutem bronchitischem Husten. Wer die ausführlichen Empfehlungen mit hinterlegter Evidenz und Studien anschauen möchte, der kann auf http://www.nice.org.uk/CG69 die gesamte Richtlinie runterladen.

Empfehlung:

• Anamnese und Klinik erheben
• Entscheid ob kein Antibiotikum, oder verzögert , oder sofort ein Antibiotikum notwendig ist
• Information des Patienten über gewählte Strategie und auch Erklärung weshalb

Akute Otitis media

• sofortige antibiotische Therapie wenn beidseitige Otitis bei Kindern unter 2 Jahren, oder auch bei Perforation oder Otorrhoe
• ansonsten gute Schmerzmedikation und Kontrolle in 24-48h, dann je nach Verlauf allenfalls verzögert antibiotisch behandeln
• Grund für Zurückhaltung: Spontanheilungstendenz sehr hoch

Akute Tonsillopharyngitis

• Centor Kriterien müssen erfüllt sein: Fieber, dolente cervikale LK Schwellung, Tonsillenbeläge, und kein Husten und zusätzlich ein positiver Streptoschnelltest
• ansonsten symptomatische Behandlung
• Grund für Zurückhaltung: in über 90% virale Ursache

Akute Rhinosinusitis

• zunächst symptomatische Behandlung
• falls nach 7-10 Tagen immer noch febril antibiotische Therapie, früher falls Gesichtsschwellung, Rötung

Akute Bronchitis

• keine antibiotische Therapie ( bei sonst Lungengesunden)

Lesen Sie zu diesem Thema auch den Beitrag auf dem Infektweb

oder gehen Sie direkt zum Vortrag von Frau Dr. Boggian zum Thema: Antibiotika bei Infekten der oberen Luftwege