ART-Umstellung zur Vereinfachung der HIV-Therapie

Nevirapin wird in der Schweiz selten eingesetzt – zu Unrecht?

Unter Nevirapin (NVP) werden Hautausschläge häufig, gelegentlich aber auch eine Hypersensitivitätsreaktion (Hautausschlag, Fieber und Hepatopathie) beobachtet. Im Vergleich mit anderen antiretroviralen Medikamenten kommt es häufiger zu Hepatotoxizität. Dies sind die Gründe, weshalb NVP trotz sonst gutem Nebenwirkungsprofil und guter Wirksamkeit in der Schweiz selten eingesetzt wird.

Genetische Prädispositionen für eine NVP-HSR wurden beschrieben (HLA DRB1*01…), genetische Tests kommen aber (anders als beim Abacavir) im klinischen Alltag nicht zum Einsatz. Offenbar braucht es aber zusätzlich ein funktionierendes Immunsystem, damit eine HSR entstehen kann.

Aufgrund dieser Beobachtung wird aktuell der Beginn einer antiretroviralen Therapie mit NVP nur bei eingeschränkter Abwehrlage (CD4-Zellzahl <400/ul bei Männern, CD4-Zellzahl <250/ul bei Frauen) empfohlen. Es ist unklar, ob diese Empfehlung auch für Patienten, die schon unter ART sind (Switch auf NVP) gültig ist.

Mit dieser Frage wurden nun retrospektive alle Patienten in der ATHENA-Kohortenstudie (3752 Patienten unter NVP), die wegen einer HSR das NVP abgesetzt haben (n=231), angeschaut. Dabei wurden ART-naive Patienten und solche, die schon vor NVP eine HIV-Behandlung hatten verglichen, insgesamt wurden 6 Gruppen gebildet (siehe Bild). Als Referenz für den Vergleich wurde die Gruppe ART-naiv und tiefe CD4-Zellzahl genommen.

Es hat sich gezeigt, dass Patieten mit tiefer CD4-Zellzahl vor ART aber zwischenzeitlich guter Abwehrlage nach einem Wechsel auf Nevirapine ein gleich tiefes NVP-HSR-Risiko hatten wie die Referenzgruppe. Dies traf allerdings nur zu, wenn die HI-Viruslast zum Zeitpunkt des Wechsels auf NVP vollständig supprimiert war.

Es sieht so aus, als ob die Nevirapine-HSR eine Problem ist, das nur am Anfang der antiretroviralen Therapie
auftritt. Wenn Patienten von einer anderen suppressiven ART auf auf ein Regime mit Nevirapine umgestellt
werden, beobachtet man keine CD4-Abhängigkeit der Nebenwirkungen und keine Häufung von Hepatotoxizität.

NVP könnte somit eine gute Option für einige Patienten werden, die wegen Nebenwirkung oder Tablettenanzahl auf ein anderes ART-Regime wechseln möchten. Besonders hervorzuheben ist natürlich auch der vergleichsweise tiefe Preis von Nevirapine.

Quelle: Wit F, JID, 2008; 46:933–40