HIV-Impfung: One step forward, two steps back

Gibt es bald eine Impfung gegen HIV oder sind die Wissenschaftler auf dem Holzweg? Was tut sich im Gebiet der HIV-Impfung?
Ein Kommentar von Robert Steinbrook in den Perspectives des New England Journal of Medicine.

Anfängliche Hoffnung zerschlagen
Wenige Jahre nach Entdeckung des HI-Virus als Ursache für AIDS, versprachen erste optimistische Stimmen eine Impfung in 2-4 Jahren. Das war offensichtlich eine Illusion der Achtzigerjahre. Das Rennen um den geeigneten Impfstoff wurde lanciert und viel Geld in dessen Erforschung und Entwicklung investiert. Wie steht es um die Impfung heute, im Jahr 2008, ein Viertel Jahrhundert nach der Entdeckung des Virus?

Das Virus entwischt dem Immunsystem
Trotz vieler Gelder und Ideen war das Virus den Forschern bisher immer eine Nase lang voraus. Durch genetische Mutationen und Veränderung der Oberflächenproteine ist es bis jetzt nicht gelungen, einen Impfstoff zu entwickeln, der eine anhaltende Immunität gegenüber dem HI-Virus induzieren kann. Das Ziel, durch eine prophylaktische Impfung eine Neuinfektion zu verhindern oder durch eine therapeutische Impfung die Viruslast zu senken, wurde bisher nicht erreicht. Versuche mit Impfstoffen, welche auf dem rekombinanten Hüllprotein gp120 aufbauten, waren wirkungslos, obwohl sie neutralisierende Antiköper induziert hatten.

Der aktuell letzte Rückschlag
Der STEP Trial (USA u.a.) und der Phambili Trial (Südafrika) mussten im Herbst 2007 abgebrochen werden wegen Wirkungslosigkeit. Insgesamt waren 1100 Personen eingeschlossen worden, alle mit einem hohen Risikoprofil für eine Ansteckung. Beide Trials testeten den Impfstoff V520 der Firma Merck, welcher sich des rekombinanten Adenovirus Typ 5 als Vektor für drei HIV-Gene bedient. Gemäss ersten Resultaten von STEP hatten sich sogar mehr Männer (49) mit vorangegangener Vakzine mit dem HI-Virus infiziert als Männer, welche Placebo erhalten hatten (33). Ob V520 tatsächlich zu einem höheren Ansteckungsrisiko geführt hat, werden erst die abschliessenden Analysen zeigen. Es ist möglich, dass die Wirkung des Impfstoffs durch eine vorbestehende Immunität gegenüber dem Vektor, dem Adenovirus Typ 5, neutralisiert wurde. So hatten denn auch die Männer, welche retrospektiv das grösste Risiko für eine Neuansteckung aufwiesen, die höchsten Titer für den Adenovirus zu Beginn des Trials.

Nächste Studie aufgeschoben
Der Start des PAVE Trials, ein Projekt des NIH, wurde aufgrund dieser Überlegungen vorerst verschoben. Auch dieser Impfstoff beruht auf dem Adenovirus Typ 5 als Vektor, der allerdings erst in der 4. Impfung (Booster) seine Anwendung findet; die Impfungen 1 bis 3 beinhalten HIV-DNA. Sollte sich zeigen, dass dieser Adenovirus als Vektor nicht mehr in Frage kommt, so hiesse dies eine Verzögerung um mehrere Jahre.
Die einzige grosse Impfstudie, welche aktuell noch läuft, wurde 2003 in Thailand gestartet. Mit einem „priming“ durch einen HIV-Gene tragenden Vektor (canary pox virus) und einem „boosting“ durch eine gp120-Impfung, wird versucht, sowohl eine T- wie auch eine B-Zell-Antwort zu erzielen. Das Safety and Monitoring Board der Studie hatte 2007 entschieden, den Trial fortzuführen.

Pessimistische Aussichten
Steinbrook merkt zum Schluss seines Artikels pessimistisch an, dass zwar jeder missglückte Versuch auch neue Erkenntnisse gebracht habe, dass aber auch jede Enttäuschung in der Sicht bestärke, dass es noch mindestens ein Jahrzehnt dauern werde, bis zur Marktreife einer HIV-Impfung …«and that is if things go well, wich has not happend yet». Und er zitiert Anthony Fauci, den Direktor des National Institute for Allergy and Infectious Disease (NIAID) mit den Worten: «To be brutally honest with ourselves, we have to leave open the possibility…that we might not ever get a vaccine for HIV. People are afraid to say that because they think it would then indicate that maybe we are giving up. We are not giving up. We are going to push this agenda as aggressively and energetically as we always have. But there is a possibility – a clear finite possibility – that that’s the case».

Impfung für HIV-positive
Etwas anders ist die Aussgangslage bei den therapeutischen Impfung. Vermutlich sind hier die Möglichkeiten besser und die Komplikationen weniger bedeutsam. Ziel wäre es, eine Impfung zu haben, welche das Immunsystem von Personen unter HIV-Therapie so verändert, dass dieses mit der Infektion selber klar kommt. Zumindest in diesem Bereich gibt es interessante und vielversprechende Ansätze (vgl. unseren Bericht).

Artikel im NEJM, Perspectives, Dezember 2007:
One step forward, two steps back – will there ever be an AIDS vaccine? R. Steinbrook