Sperma erhöht die Infektiosität von HIV
Ein Deutsches Team fand ein hochinteressantes Protein im menschlichen Sperma, welches die Infektiosität von HIV dramatisch erhöht.
HIV wird vorwiegend sexuell übertragen. Bei der Übertragung von Mann-zu-Frau oder Mann-zu-Mann erfolgt die Übertragung praktisch immer durch Sperma. So wissen wir zum Beispiel auch, dass wir Coitus interruptus – wird er konsequenz durchgeführt – nicht zur Übertragung führt (De Vincenci NEJM 1994).
Doch bei Tierversuchen mit Affen war es ausgesprochen schwierig, Versuchstiere durch Exposition mit zell-assoziertem Virus zu infizieren (Sodora, 1998). Selbst bei höchsten Dosen von über 1 Mio Kopien eines zell-assozierten Virus (pro ml) kam es kaum zur Infektion der Versuchstiere. Aus diesem Grunde haben bisher alle Versuchsmodelle mit Affen freies Virus verwendet. Die Tierexperimente wurden nie mit Sperma durchgeführt, weil das Sperma von Affen innert weniger Sekunden fast steinhart wird. Es ist aber möglich, dass im Sperma faktoren vorliegen, welche die zellvermittelte Infektion auch begünstigen.
Sperma ist wichtig:
Einen Hinweis für die Rolle von Sperma bei der Transmission gab schon das Team von Philipps vom Population Council in NY: Die Forscher hatten in einem Modell mit Cervixepithelzellen schon vor 15 Jahren gezeigt, dass sich diese Zellen besser infizieren lassen, wenn die infizierten Zellen gemeinsam mit menschlicher Samenflüssigkeit auf die Zellen gegeben werden (u.a.: Tan et al, JVI, 1993).
SEVI-identifiziert:
Nun hat eine Gruppe aus Ulm gemeinsam mit anderen Deutschen und Internationalen Forschern einen Faktor im Sperma identifiziert, welcher die Transmission von zell-freiem HIV massiv begünstigt. Das Team war eigentlich auf der Suche nach inhibitorischen Faktoren. Ganz überrascht mussten sie feststellen, dass im Sperma ein Faktor ist, welcher die Infektiosität von HIV in vitro aber auch in vivo (Infektion von transgenen Ratten mit HIV) massiv verstärkt wurde. Sie nannten den Faktor SEVI: Semen-derived enhancer of viral infection.
Eindrückliche Wirkung in vitro und in vivo
Im in vitro Experiment brauchte es fast 100’000 Viruskopien damit eine Infektion in der Hälfte aller Zellkulturen anging. Doch unter Zugabe von SEVI kam es (dosisabhängig) zu einer massiven Verstärkung. In der höchsten Konzentration (50ug/ml SEVI) genügte ein einziges Virus um die gleiche Infektionsrate zu erzielen (Abb).
Was ist SEVI:
Beim SEVI handelt es sich um ein Protein, welches aus der Prostata kommt. Im Sperma hat es hohe Mengen einer sauren Phosphatase der Prostata (PSP). Diese Peptide bilden amyoid-Fibrillen, welche das Virus aufnehmen und die Infektion der Zielzellen erleichtert. Die Autoren realisierten, dass die verstärkende Wirkung nur zustande kam, wenn diese Fibrillen gebildet wurden. Interessant, denn man fand dass Amyloid-Fibrillen wie sie im Gehirn von Alzheimerkranken vorkommen, auch die HIV-Infektion begünstigen.
Neuer Ansatz für die Prävention?
Diese Entdeckung könnte ein neuer Ansatz für die Entwicklung eines vaginalen Mikrobizides sein. Wenn es gelingt, die Bildung der Amyloid-Fibrillen zu verhindern, könnte die Infektiosität möglicherweise um ein Vielfaches reduziert werden. Vielleicht hilft der Faktor auch zu erklären, weshalb einige Männer hochinfektiös sind und andere kaum jemanden anstecken.
Es ist möglich, dass dieser Faktor auch erklärt, weshalb Infektionen durch die Aufnahme von Sperma in den Mund vorkommen können. Ansonsten gilt der Oralverkehr als ungefährlich. SEVI könnte hier auch eine Schlüsselrolle spielen, denn die Autoren haben auch gezeigt, dass die Wirkung auch bei der Infektion von Tonsillen-Zellen zu beobachten ist.
Quelle: Münch et al, Cell, 2007; 131:1059