Entwicklung des Konsums und des Risikoverhaltens bezüglich HIV- und HCV-Uebertragung
Vor dem Hintergrund einer ausgeprägten Heroinepidemie führte die Schweiz als eines der ersten westlichen Länder eine Politik der Schadensminderung ein, wozu insbesondere Programme zur Abgabe von sterilem Injektionsmaterial in niederschwelligen Einrichtungen gehören. Mir Erfolg, wie sich zeigte!
Zur Bestimmung der Wirkung dieser Politik und als ergänzende Massnahme
zum Ueberwachungsdispositiv für die HIV-Epidemie beauftragte das
Bundesamt für Gesundheit das Institut für Sozial- und Präventivmedizin
der Universität Lausanne mit der Befragung von Drogenkonsumierenden in
niederschwelligen Einrichtungen. Damit soll die Entwicklung des
Präventiv- und Risikoverhaltens bezüglich HIV und HCV in diesere
Population verfolgt werden. Nebst den Aspekten im Zusammenhang mit HIV
lassen sich auch die Entwicklungen der Konsumformen sowie einige
soziale Indikatoren (Einkommen, Wohnsituation) und medizinische
Faktoren (Gesundheitszustand, Substitutionsbehandlung) verfolgen.
Soziodemographische Merkmale der Befragten
- 3/4 der Befragten sind männlich. 1993 – 2006 blieb dieser Anteil stabil.
- Altersmedian 1993 = 26 Jahre, 2006 = 36 Jahre, 35 jährig und älter 1993 = 11%, 2006 = 59%, diese Entwicklung betraf sowohl Männer wie Frauen.
- Knapp 1/3 absolvierte nach der obligatorischen Schulbildung keine weitere Ausbildung.
- Soziale Unterstützung, 1993 = 35%, 2006 = 78%
Heroin- und Kokainkonsum
Fast alle Befragten haben im Laufe des Lebens Heroin konsumiert. Seit 1994 lässt sich allerdings ein markanter Rückgang verzeichnen. Heroinkonsum mehrere Male pro Woche 1994 = 61%, 2006 = 43%. Parallel dazu muss beim Kokainkonsum eine bedeutende Zunahme festgestellt werden. 1993 = 25%, 2006 = 66%.
Der Doppelkonsum von Heroin und Kokain ist nach wie vor die vorherrschende Konsumform.
Substitutionsbehandlung
Unter den befragten Personen mit Heroinkonsum war ein steigender Anteil zum Zeitpunkt der Befragung in einer Methadonsubstitutionsbehandlung. 1993 = 37%, 2006 = 59%.
Intravenöser Konsum und Risikoverhalten
- Allgemein lässt sich ein zunehmender Rückgang des intravenösen Konsums beobachten. Intravenöser Heroinkonsum 1993 = 90% , 2006 = 49%, Intravenöser Kokainkonsum 66%.
- Die grosse Mehrheit macht die Injektionen zu Hause oder in einem Injektionsraum.
- Die Risikoexposition von gebauchten Spritzen oder Nadeln blieb über Jahre hinweg stabil. Der gemeinsame Gebrauch von Injektionsmaterial (Löffel, Filter, Watte, Wasser) nahm stark ab. Intravenöser Konsum in den Gefängnissen 1996 = 27%, 2006 = 23%, eine Minderheit davon mit gebrauchten Spritzen 1996 = 20%, 2006 = 11%.
Sexualität
Die Merkmale des Sexuallebens und die Verwendung von Kondomen innerhalb stabiler und/oder bei gelegentlichen sexuellen Beziehungen veränderten sich im Laufe der Zeit nur wenig. Bei jeder Umfrage gab rund 1/4 der Befragten an, mit dem stabilen Partner immer ein Kondom zu verwenden. 30% der Befragten hatten sexuelle Beziehung mit Gelegenheitspartnern. Dabei verwendeten rund 70% ein Kondom, ein Anteil der seit 1994 stabil blieb. Zunehmend ist der Anteil der Frauen die sich prostituieren. 1993 = 23%, 2006 = 46%. Im Umgang mit Freiern nahm der Gebrauch von Kondomen ab: 1996 verwendeteten 95% ein Kondom, 2006 = 80%. Bei Männern kam Prostitution sehr viel weniger häufig vor, nahm aber tendenziell zu. Der Gebrauch von Kondomen verzeichnet hier einen Rückgang der allerdings wegen der geringen Fallzahlen statistisch nicht signifikant ist.
Gesundheit
Die grosse Mehrheit hat im Laufe des Lebens einen oder mehrere HIV-Tests gemacht. 11% gaben an HIV-positiv zu sein. Dieser Anteil blieb stabil. 2006 betrug die Prävalenz unter 25-Jährigen null; bei den 25-34-Jährigen 8%, bei den über 35-Jährigen 14%. Die Anzahl der Befragten, die sich auf HCV testen liessen, nahm zu. Zwar nahm die Prävalenz von Hepatitis-C leicht ab, ist aber immer noch hoch. 2006 = 56% der Befragten mit Hepatitis-C.
Als Schlussfolgerung der Befragung lässt sich festhalten, dass die Personen mit intravenösem Drogenkonsum den Zugang zum Gesundheitssystem und zu den verschiedenen Formen des Sozialsystems nutzen. Allerdings erscheinen die Chancen auf eine Wiedereingliederung sehr gering, insbesondere was die Arbeit angeht. Der Rückgang beim injizierenden Drogenkosum veringert insgesamt des Uebertragungsrisiko für Infektionen, obwohl eine Minderheit dieser Population nach wie vor gebrauchte Spritzen benutzt. Rund 60% der Besucher niederschwelliger Einrichtungen sind in Methdonbehandlung. Da drängt sich die Frage auf, warum so viele Substituierte in niederschwelligen Einrichtungen für Drogenkonsumierende anzutreffen sind und in welcher Form man auf ihr Bedürfnisse eingehen müsste.
AutorInnen
H. Balthasar, T. Huissoud, F. Zobel, S. Arnoud, S. Samitca, A. Jeannin, D. Schnoz, J.-P. Gervasoni, F. Dubois-Arber Institut universitaire de médecine sociale et préventive, Lausanne
Bundesamt für Gesundheit, Direktionsbereich öffentliche Gesundheit, Sektion Aids, Telefon 031 323 88 11
ausführlich unter www.bag.admin.ch bulletin 45/07