HIV-Schnelltest zu Hause durchführen?
Das FDA überlegt sich, einen HIV-Schnelltest einzuführen, der zu Hause selbständig durchgeführt werden kann. Löst dies oder schafft dies eher Probleme?
Ausgangslage
In den USA überlegt sich das FDA (Food and Drug Administration, Zulassungsbehörde für Nahrungsmittel und Medikamente), einen HIV-Schnelltest (OraQuick ADVANCE 1/2) einzuführen, der over-the-counter gekauft werden und zu Hause von jedem selbständig durchgeführt werden kann. Erklärtes Ziel ist es, dass mehr Infizierte detektiert werden können, insbesondere in Gruppen, die bisher schwierig zu erreichen waren. Während Befürworter geradezu enthusiastisch dafür argumentieren, beurteilen die Autoren dieses Artikels dies jedoch eher kritisch. Beim Test handelt es sich um einen Wangenabstrich, der problemlos auch von Laien durchgeführt werden kann und innert 20 Minuten ein Ergebnis liefert.
Pro
Als hilfreich wird beurteilt, dass Individuen darin bestärkt werden, ihr persönliches HIV-Risiko zu managen, beispielsweise indem Paare, die sich neu kennengelernt haben, ihren HIV-Status gegenseitig testen können, bevor sie eine ungeschützte sexuelle Beziehung zueinander aufnehmen. Drei grundsätzlichen Barrieren (Stigma, erleichterte Verfügbarkeit und Privatsphäre), die eine weitere Verbreitung der Testung verhindern, wird entgegengewirkt. Zudem kann die Heim-Testung die Erkennung von HIV in Gruppen, die schwierig zu erreichen sind, erleichtern.
Kontra
Die Autoren bemängeln unter anderem, dass vor allem HIV-negative neue Pärchen, verängstigte ebenfalls grösstenteils HIV-negative Personen sowie sowie ganz kürzlich Frischinfizierte (bei denen der Test noch negativ ausfällt!) das Kit anwenden werden und somit die Zielgruppe (ärmere, weniger gebildete Bevölkerungsgruppe, die sowieso schon schlechter ans Gesundheitswesen angebunden sind) gar nicht erreicht werden! Dies auch deshalb, weil der Test 40 Dollar kosten würde, aber nur ca. 40% der befragten Bevölkerung bereit wären, soviel für einen Test zu bezahlen.
Ein weiteres Problem ist die Zunahme der falsch-positiven und falsch-negativen Tests, was möglicherweise zu einer Zunahme des Risikoverhaltens führt. Dies wird aus der Tabelle ersichtlich:
Bei einer Sensitivität von 99.3% und einer Spezifität von 99.8% (was zugegebenermassen sehr gut ist!) zeigen sich folgende Probleme:
Angenommen, es besteht eine Prävalenz von 3% HIV-positiver Menschen, welche von ihrer Erkrankung nichts wissen. Falls nun 10’000 Personen getestet werden, werden 19 von diesen Tests falsch positiv werden, also ca. 6%. Geht man aber von einer Prävalenz von 0.2% aus (was wesentlich realistischer ist für die Population, die den Test auch durchführen wird), dann wird es 50% falsch positive Resultate geben. Geht man sogar davon aus, dass 50% der Personen, die den Test durchführen, diesen in der "window-phase", also noch vor möglichem Nachweis der HIV-Antikörper machen, erhöht sich die Rate der falsch positiven Resultate bei einer angenommen Prävalenz von 0.2% sogar auf 66%.
Dies unterminiert das Vertrauen in den Test allgemein und schwächt die Bestrebungen, die noch unerreichte und unerkannte HIV-positive Bevölkerung zu erreichen, da ein negativer Lerneffekt zu befürchten ist ("mein Test war positiv, ich habe deswegen so Stress gehabt, nun habe ich aber doch kein HIV, also weshalb soll ich mich nochmals testen/ich habe gehört dass…").
Ein weiteres Problem bei dem untersten Test-Modell ist, dass es 50% falsch negative hat, wodurch ein falsches Sicherheitsdenken suggeriert werden könnte und möglicherweise auch das Risikoverhalten zunehmen wird!
Zudem besteht die Gefahr, dass positiv-getestete Personen nicht mit medizinischen Institutionen verlinkt sind oder werden. Möglicherweise wird auch das Stigma des Testens zunehmen, da es Privatsache ist und heimlich zu erfolgen hat.
Die Eidgenössische Kommission für AIDS-Fragen hat zur Frage der Home-Tests eine klare Stellungnahme abgegeben. Die Kommission stellt sich aus den genannten Gründen gegen eine Einführung solcher Tests. Die Sektion des Bundesamtes für Gesundheit sieht vielmehr einen Bedarf bei der Verbesserung der Testberatung. Im nächsten Jahr laufen daher zahlreiche Projekte mit dem Ziel, die Testberatung und die Durchführung der Teste in den Zielgruppen zu optimieren.