Procalcitonin bei Pneumonie ohne Sparpotential
Grundsätzlich sollte man die Gabe von Antibiotika auf das Minimum beschränken. Ein Vorschlag aus Basel, dies durch die routinemässige Bestimmung des Procalcitonins zu tun, geht aber ins Geld.
Die Gruppe um B. Müller aus Basel hat bestimmt schon zwei Dutzend Arbeiten zum Thema Procalzitonin (PCT) geschrieben. Eine grosse Bekanntheit erreichte die 2004 im Lancet publizierte Arbeit zur Bedeutung von Procalcitonin bei der Indikationsstellung einer Pneumonie-Behandlung. Hier konnte mit der PCT-Messung die Antibiotika(AB)-Gabe auf die Hälfte der Kontrolgruppe reduziert werden.
Neue Arbeit bei Community acquired Pneumonia
In einer randomisierten Studie die jetzt im Am J Resp Crit Care Med erschien, haben die Autoren versucht, auch die Dauer der AB-Therapie einzuschränken. Dazu haben sie in der Interventionsgruppe bei der Notfallpräsentation PCT gemessen und die Therapieindikation mit dem Messwert von Procalcitonin modifiziert (keine AB-Therapie wenn < 0.1ug/L). Bei allen Patienten, die aufgrund eines tiefen PCT-Wertes kein AB erhielten, wurde das PCT nach 6-24 Stunden wiederholt. Um die AB-Therapie rechtzeitig abzubrechen, wurde nach 4, 6 und 8 Tagen eine weitere PCT-Kontrolle vorgenommen (falls Pat. noch antibiotisch behandelt). Durchschnittlich wurden pro Patient 3.5 PCT Messungen durchgeführt.
Von gut 400 Patienten mit Pneumonie wurden 102 ausgeschlossen (25%!). Somit blieben für die Randomisierung zwei recht grosse Gruppen (je 151). Die Resultate sind auf den ersten Blick eindrücklich: Auch in dieser Arbeit konnte die gesamte AB-Gabe auf knapp die Hälfte reduziert werden (s. Abb.). Doch beim genaueren Hinsehen fallen doch noch einige Tücken auf:
- Die Therapiedauer ist in der Kontrollgruppe mit 10-14 Tagen relativ lang
- Der Preis für den Nutzen ist hoch
- Bei Patienten mit Bakteriämie konnte das PCT-Management die AB-Dauer nicht verkürzen.
Lange Therapiedauer in der Standardgruppe
Die Autoren gehen in ihrer Arbeit davon aus, dass der Standard einer Behandlung 7 bis 21 Tage dauert. Tatsächlich behandelten sie ihre Kontrollgruppe während durchschnittlich 12 Tagen (vs. 5 d in PCT-Gruppe). Der grosse Unterschied lag bei den Patienten mit einem Pneumonia Severity Index (PSI) von I-III, also oft ambulant zu behandelnde Patienten. Eine kürzlich im BMJ publizierte Studie (s. den Bericht von P. Rafeiner) konnte zeigen, dass diese Patienten problemlos auch nur während 3 Tagen behandelt werden können.
Diese PCT-Studie bestätigt also nur, was die BMJ Autoren auch schon gesagt haben: Die Dauer der Therapie kann bei Patienten mit PSI unter IV problemlos verkürzt werden. Die PCT-Bestimmung ist hier gar nicht notwendig.
Die vorliegende Arbeit zeigte jedoch auch einen Unterschied für die Patienten mit höherem PSI (Abbildung 2, oben rechts). Hier ist der Unterschied etwa 7 vs. 13 Tage. Achtung: Bei genauer Betrachtung der Legende fällt auf, dass die Autoren sich hier eines Tricks bedient haben. Sie haben eine parametrische Auswertung (Mittelwert, 95%-Vertrauensintevall) im "Box and Whiskers-Plot" verwendet. Damit sieht der Unterschied der beiden Behandlungen gigantisch aus. Wir sind uns gewohnt, mit den Boxes 75% und mit den "Whiskers" 90% der Werte darzustellen. Dies hätte jeder mässig gründliche Reviewer sehen müssen.
Der Preis ist heiss
Das Hauptproblem der hier vorgeschlagenen PCT-Bestimmung ist der hohe Preis der Bestimmung. In der Schweiz kostet jede Bestimmung CHF 72.-, mit durchschnittlich 3.5 Bestimmungen somit CHF 250.- pro Patient. Auch wenn die Autoren die Kosteneffizienz noch etwas beschönigt haben, kommen auch sie zum Schluss, dass der Preis der PCT Bestimmung – um Kostenneutral zu bleiben – mindestens 3.5x geringer sein sollte.
Würde man das PCT nur in der Gruppe von Patienten mit PSI IV-V anwenden (wo eine 3-tägige AB-Therapie zu kurz wäre), dann würden die Ersparnis durch Therapieverkürzung (6 Tage CoAmoxicillin, Kompendium) CHF 42.- kosten. Somit müsste eine PCT-Bestimmung CHF 12.- kosten, um die Ersparnis bei den AB zu egalisieren. Für uns bleibt es somit dabei: Solange die PCT-Bestimmung Fr. 72.- kostet, soll sie nicht in der Routine der Pneumonie-Diagnostik eingesetzt werden.
Das Lob zum Schluss
Vorbildlich geht die Studie mit der Offenlegung der finanzielle Interessen der Autoren um. Da erfahren wir z.B, dass der Studienleiter von der Herstellerfirma des Procalcitonin-Tests in den letzten 3 Jahren zusätzlich zu Studiengeldern noch rund 100’000 Franken (!) an Honoraren für Referate und Beratung erhalten hat. Grund genug, die Studie genau unter die Lupe zu nehmen.
Quelle: Christ-Crain et al, Am J Crit Care Med, 2006; 174:84-93
Siehe auch den Bericht von Dr. K. Boggian zum Vergleich PCT vs. CRP