Letalität von H5N1 möglicherweise überschätzt

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Von den bisher 164 bestätigten H5N1-Influenza-Fällen beim Menschen sind 81 bereits gestorben. Diese vermeintlich hohe Letalität von ca. 50% könnte uns aber täuschen, wie eine Untersuchung aus Vietnam zeigt.

Vietnam ist mit bisher 93 gesicherten H5N1-Influenza-Fällen beim Menschen das Land, welches von der Vogelgrippe am stärksten betroffen war. Seit einiger Zeit ist es aber auch in Vietnam still (s. Grafik im H5N1 update). Eine massive Dezimierung der Hühner und eine Verhaltensänderung der Bevölkerung im Umgang mit Tieren dürften dafür verantwortlich sein.

Doch wäre es möglich, dass wir nur die "Spitze des Eisbergs" entdeckt haben und dass viele Menschen mit H5N1 angesteckt wurden, ohne dass sie schwer krank wurden. Eine Arbeit aus den Archives Internal Medicine vom 9.1.06 lässt dies vermuten.

Die Autoren haben eine epidemiologische Feldstudie an über 45’000 Personen in Vietnam durchgeführt. In einer ländlichen Gegend wurden von 242’000 Einwohnern durch geschickte Clusterbildung eine räpresentative Stichprobe ausgewählt. Diese Personen wurden befragt, ob sie in den letzten 6 Monaten an einer grippalen Symptomatik (Fieber und Husten) erkrankt waren und ob sie Kontakt zu Hühnern hatten. 18% der befragten gaben an, eine Grippe erlitten zu haben. Insgesamt gaben 84% der Befragten an in einem Haushalt mit Hühnern zu leben, und 26% lebten mit kranken oder spontan verstorbenen Hühnern.

Die Autoren fanden eine klare Assoziation zwischen dem grippalen Erkrankungsrisiko und dem Kontakt zu Hühnern. Aus der relativen Erhöhung des Erkrankungsrisikos bei Exponierten Personen konnte man nun berechnen, dass in dieser Population von 45’000 Personen ca. 700 Personen als Folge eines direkten Kontaktes mit Hühnern eine milde Grippe durchgemacht haben müssen.

Diese Erkenntnis deckt sich auch mit serologischen Angaben von relativ hoher Serokonversionsrate in der Umgebung von Ausbrüchen von H5N1 Infektionen. Kürzlich hat auch Promed gemeldet, dass in der Türkei bei zwei Kindern H5N1 nachweisbar war, ohne dass die Kinder manifest erkrankt sind.

Somit müssen wir vielleicht wieder eher davon ausgehen, dass H5N1-Infektionen viel häufiger als bisher angenommen sind, und dass wir nur die Spitze des Eisberges sehen. Falls dies tatsächlich zutrifft ist es natürlich umso schwieriger, Infektionen früh zu erkennen um der allfälligen Ausbreitung von Mensch zu Mensch vorzubeugen.

Quelle: Thorson et al, ArchIntMed, 2006;166:119-23