Wirkung von Tamiflu für Pandemie berechnet

Auch wenn streng genommen die Wirkung der Neuraminidase-Hemmer auf eine Infektion mit einem Pandemievirus (z.B. H5N1) nicht bewiesen ist, man darf doch davon ausgehen, dass die Substanzen wirken werden. Doch wie ist der Effekt solcher Wirkungen auf die Ausbreitung einer Pandemie?

Solche Fragen lassen sich ausgezeichnet mit mathematischen Modellen voraussagen. Bei solchen Modellen versucht man, gewisse Faktoren, welche den Verlauf beeinflussen können, möglichst gut abzuschätzen und berechnet dann den daraus resultierenden Verlauf einer Epidemie. Solche Modelle werden dann geprüft, indem man den Verlauf einer bekannten Epidemie in der Vergangenheit mit den simulierten Resultaten vergleicht.

Genau das haben Englische Autoren in einer kürzlichen Arbiet im Emerging Infectious Diseases gemacht. Einige der Annahmen, welche sie für ihr Modell machten, waren:

  • Zeit von der Ansteckung bis zum Beginn der Infektiosität: 2 Tage
  • Dauer der Infektiosität: 4 Tage
  • Verkürzung der Infektiosität mit Neuraminidasehemmern (NH): 1.5 Tage
  • Reduktion der Hospitalisationsrate durch HN: 50%Flu_NeuramEffect.jpg

Im weiteren haben die Autoren gut fundierte Daten aus früheren Influenza-Pandemien zusammengetragen. Insbesondere Interessant sind die Angaben zur Basalen Reproduktionsrate der Influenza A während den drei Wellen der Spanischen Grippe sowie die Angaben zur Mortalität während den Pandemien des 20. Jahrhunderts. Wir geben diese Tabellen unten wieder und verweisen auf die Literaturangaben im Artikel.

Die Resultate dieser Mathematischen Modellrechnung sind wichtig für die Pandemieplanung. Zunächst konnten die Autoren zeigen, dass die Berechnungen mit diesem Modell recht gut mit dem Verlauf der Pandemie 1918/19 übereinstimmten. Im Weiteren konnten die Autoren zeigen, dass der Einsatz von Neuraminidasehemmern (Tamiflu oder Relenza) die Hospitalisationsrate um 50-77% zu senken vermag. Dabei gingen die Autoren verschiedenen Annahmen einer "Clinical Attack Rate" aus. Damit versteht man den Anteil der exponierten Bevölkerung, der an der Infektion erkrankt. Je höher die Attack rate, desto mehr NH müssten eingesetzt werden, um dein gleichen Effekt zu erzielen. Dabei zeigt es sich, dass ein Medikamentenlager für mehr als 20% der Bevölkerung (Abbildung, Abszisse) nur bei Klinischen Attack-Rates von über 30% einen zusätzlichen Nutzen bringen. Somit scheint sich die Empfehlung der WHO zu bestätigen, wonach für 20 bis maximal 25% der Bevölkerung Lagerbestände mit NH anzulegen sind.

Quelle: Gani et al, EID, Sept 2005

Interessantes Zahlenmaterial Pandemien 20. Jahrhundert:


Hospitalisationsraten Spanische Grippe 1918/19 nach Altersgruppen

Tabelle_1

Attack-Rates (Anteil Infizierte bezogen auf Exponierte Personen) nach Altersklassen

Tabelle_2


Attack Rates, Basale Reproduktionsrate, Hospitalisationsraten und Mortalität

Tabelle_3