Reverse-Genetics: Rettende Impfung gegen Pandemie?

Die nächste Influenza Pandemie kommt bestimmt. Unklar ist nur, wann sie kommt. Und wenn sie da ist, ist sie voraussichtlich in Windeseile über den Erdball verteilt (1918 dauerte es noch ohne Flugzeuge 8 Wochen). Die Produktion einer Impfung könnte viel Zeit in Anspruch nehmen. Neue Technologien helfen aus dem Engpass.

Das Zauberwort heisst Reverse-Genetics. Dabei geht es darum, ein Gen (z.B. das Gen, welches die Neuraminidase des Influenza-Virus produziert) in ein anderer Virus einzubringen und mit dem anderen Virus (Vektor) eine Impfung zu machen. Ein Vektor ist in diesem Sinne eigentlich ein Überträger der Botschaft, ein trojanisches Pferd mit guter Absicht!

Die neue Methode wurde für das H7N7 Virus verwendet. Dieses Virus verursachte 2003 einen Grippe-Ausbruch bei 86 Mitarbeitern und Familienangehörigen einer Hüherfarm in Holland. Ein Veterinär starb (s. unseren Bericht).

Die Impfstoffproduktion funktionierte bei dieser Methode wie jede andere Impfstoff-Produktion. Man nimmt ein Virus und repliziert dies in Hühnerembryonen. Das dabei entstandene Virus wird so aufgetrennt, dass zum Schluss nur noch eine aufgereinigte Protein-Suppe mit Hämagglutinin und Neuraminidase anfällt, den beiden Oberflächen-Peptiden des Influenza Virus. Diese aufgereinigte Protein-Lösung (inaktivierte Split-Vaccine) wird dann i.m. gespritzt.

Das besondere an diesem Versuch war die Produktion des primären Virus. Dabei verwendeten die Autoren ein bekanntes humanes Influenza A Virus ohne seine beiden Gene für Hämagglutinin und Neuraminidase (H, N). Darauf wurde von einem H7N7 Virus, welches auch in Holland, aber bei Enten gefunden wurde, das Genom für H7 und N7 entnommen und dem Vektor-Virus mit reverse genetics eingefügt (mehr über reverse genetics in unserem Bericht vom diesjährigen Saanen-Meeting).

Dieses Virus mit "Enten"-Charakter war zwar dem Virus der H7N7 Erkrankung in der Hühnerfarm ähnlich, aber nicht identisch. Dennoch waren Mäuse, welche mit diesem Virus geimpft wurden, geschützt vor einer Infektion mit dem "originalen" H7N7 Virus, welches von den erkrankten Menschen des Ausbruchs in Holland gewonnen wurden. Die Impfung musste zweimal durchgeführt werden und es musste ein geeignetes Adjuvans eingesetzt werden. Doch das Experiment zeigt, dass eigentlich eine Impfung mit einem verwandten Vogel-Influenza-Virus möglich wäre noch bevor ein Virus beim Menschen zur Pandemie geführt hat. Damit könnte man etwas Vorsprung gewinnen.

Im Moment wird auch noch daran gearbeitet, das Influenzavirus ohne eine Vermehrung in Hühnerembryonen direkt aus Zelllinien herzustellen. Gelingt dies, sollte eine Impfstoffproduktion in ganz grossem Ausmass innert 4 Wochen möglich sein. Damit wären wir noch etwas schneller in der Impfstoffproduktion.

Quelle: De Wit et al, J Virol, 2005; 79:12401-7