HIV-Primoinfektion: Oralverkehr kein erhöhtes Risiko
Wenige Tage bis Wochen nach einer HIV-Infektion leiden 70% unter einer akuten, febrilen Krankheit, der sogenannten HIV-Primoinfektion. Eine Studie aus Birmingham (GB) konnte die Resultate einer Schweizer Studie bestätigen, wonach Patienten mit HIV-Primoinfektion hoch ansteckend sind.
Die von Pao et al. in „AIDS“ vom Januar 2005 publizierte Studie hat 104 Patienten mit HIV-Primoinfektion in den Jahren 1999-2003 unteresucht. Dabei haben die Autoren die Daten der HIV-Resistenzprüfung dazu verwendet, den Verwandschaftsgrad der HIV-Virenstämme zu untersuchen. Genau dieselbe Methode haben wir vor einigen Jahren in einer Studie der Schweizerischen HIV-Kohorte angewandt (Yerly et al, 2001). In beiden Studien wurde mit dieser Methode gezeigt, dass ein grosser Teil der frisch HIV-Infizierten ein virus hatten, welches sich bei einem anderen frisch Infizierten fand. In der Schweizer Studie betraf dies 30% der Patienten, in der Englischen Studie waren es 34%.
Die Übereinstimmung dieser Daten ist bemerkenswert. Es heisst, dass mindestens ein Drittel aller HIV-Infektionen von Personen mit einer ebenfalls frischen HIV-Infektion ausgehen. Die hohe Infektiosität von HIV während der HIV-Primoinfektion wurde in mehreren Arbeiten, unter anderem auch in einer Schweiz-Amerikanischen Kooperation demonstriert (vgl. unseren Bericht).
In der Abbildung rechts in der phylogenetische Stammbaum aus der jüngsten Arbeit von Pao et al. dargestellt. Darin lassen sich die sog. Clusters von 2, 3, oder 4 Patienten erkennen. Ein kurzer horizontaler Arm bis zur nächsten Abzweigung bedeutet eine enge Verwandtschaft mit dem benachbarten Virus (grosse Übereinstimmung der Gensequenzen).
In dieser Arbeit wurden im Weiteren auch noch untersucht, ob sich bei den kürzlich infizierten in den letzten 3 Monaten ein Risikofaktor für eine HIV-Infektion anamnestisch finden liess. Tatsächlich hatten diese Personen signifikant häufiger ungeschützten Analverkehr in den letzten 3 Monaten. Interessanterweise fand sich kein Unterschied bei den beiden Gruppen in Bezug auf ungeschützten Oralverkehr in den letzten 3 Monaten. Einmal mehr ein Hinweis, dass Oralverkehr kein wesentlicher Risikofaktor für die Übertragung einer HIV-Infektion darstellt, nicht einmal während einer HIV-Primoinfektion. Dies bestätigt frühere Berichte, wir erinnern in diesem Zusammenhang an unseren Bericht vom 10.6.02. Ein klarer Risikofaktor war jedoch eine kürzlich durchgemachte Geschlechtskrankheit, auch ein Umstand, auf den wir schon mehrfach hingewiesen haben (Bericht STD Kongress, 2001).
Einmal mehr: Die HIV-Infektion wird sexuell durch ungeschützten Vaginal- oder Analverkehr übertragen. Die HIV-Primoinfektion erhöht das Übertragungsrisiko. Zusätzlich führen Geschlechtskrankheiten zu einer massiven Erhöhung des Übertragungsrisikos.
Also lautet das Motto: Primoinfektionen erkennen und STDs verhindern!