HIV-Therapiebeginn: Vielleicht doch besser früher

Unter all den offenen Fragen zur Therapie der HIV-Infektion ist vielleicht die wichtigste, wann man eigentlich mit der Therapie anfangen soll. Eine neue Studie bei Drogensüchtigen lässt aufhorchen…

Ende der 90-er Jaher, als die Dreierkombinationen mit Protease-Hemmern verfügbar wurden, waren die Stimmung bezüglich HIV-Therapie fast euphorisch. „Hit hard, hit early„, hiess die Devise. In den folgenden Jahren wurden wir etwas zurückhaltender mit dem Therapiebeginn. Für das Umdenken verantwortlich waren nicht zuletzt die Resultate der grossen ART-Collaboration, an der sich auch die Schweizerische HIV-Kohortenstudie beteiligte (Egger et al, Lancet 2002). Die aktuellen Therapieempfehlungen sind zurückhaltender geworden. In der Regel beginnen wir eine Therapie, wenn die CD4 Zell-Zahl sich gegen 200 /ul nähert.

Doch das Pendel scheint wieder umzuschlagen. Immer mehr hört man von Untersuchungen, wonach sich das Immunsystem besser erholt, wenn vor Abfall der CD4 Zellen unter 350 mit der Therapie begonnen wird. In der Septemberausgeabe des JID wird nun eine Arbeit aus Baltimore publiziert, die auch wieder zum Umdenken anregt: Wang et al. haben die Mortalität bei HIV-positiven (n=583) und HIV-negativen (n=920) iv-Drogensüchtigen Menschen über die Jahre 97-2000 verglichen.

Die Mortalitätsrate bei diesen jungen Drogensüchtigen Menschen war auch ohne HIV-Infektion hoch (20/1000 Personenjahre). Dabei war die Mortalität nur bei denjenigen HIV-positiven Personen gleich wie bei den HIV-negativen (HR 1.01), welche eine HIV-Kombinationstherapie vor Abfall der CD4 Zellen unter 350 angefangen haben (Abbildung links). Bei allen anderen (späterer Therapiebeginn oder keine Therapie) war die Mortalität deutlich höher als diejenige von HIV-negativen Drogensüchtigen.

Fig 1, Wang et al.

Speziell an dieser Untersuchung ist, dass HIV- und HIV+ Personen aus der gleichen Risikogruppe miteinander verglichen wurden. Natürlich gibt es auch Probleme mit diesem Studiendesign: Wir wissen nicht, ob die Patienten die früh mit der Tehrapie begonnen haben, vergleichbar sind mit denen, die spät anfingen. Denkbar, dass die „late beginners“ auch sonst schlechtere medizinische Betreuung haben, vielleicht auch deswegen spät anfingen, weil ihre Betreuer Ihnen wenig Überlebenschancen einräumten. Sicher müssen diese Resultate noch durch andere Arbeiten bestätigt werden, doch es zeigt doch deutlich, wie rasch sich die medizinische „Wahrheit“ mit der Zeit wandeln kann.

Wang et al, JID, 15. Sept. 2004

Lesen Sie auch das Editorial von M. Schechter in der gleichen Ausgabe.