Im Angesicht des Schattens das Licht im Auge haben
Zum psychologischen Umgang mit Infektionskrankheiten
Zusammenfassung des Vortrages von Frau Linda Briendl, lic.phil. Psychologin und Psychotherapeutin SPV Lehranalytikerin am C.G. Junginstitut
Wir, die wir uns mit den Heilungsmöglichkeiten für schwere Infektionskrankheiten beschäftigen, wo sind wir selbst Patienten und Patientinnen. Wir neigen dazu uns als Heiler stark, gesund und handlungsfähig zu sehen. Den Patienten hingegen sehen wir als schwach, krank und unselbständig. Wir leben in einem Spannungsfeld von bewusst – unbewusst. Was uns nicht bewusst ist, begegnet uns in den verschiedensten Situationen und Reaktionen in unserem Leben und gibt uns Einsicht in ungelebte Teile unserer Persönlichkeit.
Das Licht bedingt den Schatten und der Schatten kann nur durch eine Lichtquelle entstehen.
Persona: In unserer Sozialisation lernen wir, dass wir nicht alles was in uns ist, ausleben dürfen. Unerwünschte Eigenschaften werden ins Unbewusste, ins Dunkle verdrängt. Persona ist die Vorstellung wie wir gerne sein möchten und ermöglicht uns einen relativen reibungsfreien Umgang mit der Welt. Die Gefahr ist, dass die eigentliche Persönlichkeit dahinter verschwindet. Das Verhaltensmuster das zu unserem Berufsbild gehört, kann zum Selbstbetrug führen, man sei als Mensch das, was man als Beruf ausübe. Persönlichkeitszüge die nicht gezeigt werden möchten, werden in den Schatten verbannt.
Schatten ist der bildhafte Begriff für unbewusste und ungelebte Anteile der Persönlichkeit, Gefühle, Gedanken, Phantasien oder Eigenschaften die nicht erwünscht oder entwickelt werden konnten und verdrängt werden müssen. Schattenseiten dürfen nicht sein und werden abgespalten. Es entsteht die Neigung, Schattenseitenaspekte auf andere Leute zu projizieren. An denen ärgert uns, was mit unseren eigenen Schattenseiten zu tun hat. Das bedeutet, dass der eigene Schatten akzeptiert werden muss und und führt dazu, dass wir gelassener, toleranter uns selbst und den anderen gegenüber werden.
Die psychischen und sozialen Belastungen der Patienten mit HIV und Aids können sich in körperlichen Beschwerden äussern. Es ist daher besonders wichtig, eine Haltung einzunehmen, welche die menschliche Beziehung fördert.
Trotz sexueller Revolution wird im Alltag nicht offen über Sexualität gesprochen. Unsere Unfähigkeit mit Dunklem, Andersartigem, Tabuisiertem umzugehen zeigt sich darin, wie wir auf der gesellschaftlichen Ebene ausgrenzen, ablehnen und in den kollektiven Schatten transferieren. Aids und HIV Patientinnen leben vorwiegend diese abgelehnten Lebensformen, sie leben in einem verschatteten Bereich unserer Gesellschaft.
Die Möglichkeit, dass sich Schattenhaftes zwischen Arzt und Patient einschleicht ist auf diesen Entstehungshintergründen besonders vielfältig.
4 psychologische Faktoren im Zusammenhang mit HIV Aids:
Angst: Es sind vielfältige Aengste zu bewältigen: Ablehnung, Bekanntwerden des HIVStatus, Stigmatisierung und Diskriminierung am Arbeitsplatz. Bis hin zur Angst vor dem Tod.
Angst die nicht mehr verdrängt wird, verringert sich, wenn man sich ihr zuwendet. Zu zeigen, dass uns die geäusserte Angst verständlich ist, ist eine wichtige Unterstützung für die Patienten.
Abwehr schützt vor unliebsamen Impulsen und Gefühlen. Die Abwehrmechanismen sind dem Patienten meist nicht bewusst. Das Wissen dass wir solche Schutzmechanismen brauchen macht es uns leichter, die Haltung des Patienten zu verstehen.
Depression ist eine ernsthafte psychische Erkrankung. Die Gefahr, dass die Depression nicht diagnostiziert und fachgerecht behandelt wird, ist bei diesem Krankheitsbild besonders gross (einer von drei Infizierten leidet an Depression).
Sexualität: In fast 80% der Fälle wird HIV/Aids sexuell übertragen. Viel HIVPositive fühlen sich bezüglich ihrer eigenen Sexualität durch die Diagnose verunsichert. Sie fühlen sich schmutzig, befürchten abgewiesen und ausgegrenzt zu werden. Sie fragen sich in welcher Form sie ihre Sexualität noch leben könne. Hier ist Umgang mit Nähe in und Distanz besonders wichtig. In der Sexualität gibt es keine Norm was normal oder was pervers ist. Es hilft sich selbst zu fragen : wie „normal“ bin ich eigentlich ich in dieser Hinsicht.
Zusammenfassend ist zu sagen:
Nicht verdrängter, akzeptierter Schatten kann uns beziehungsfähiger machen.
Die vollständige Präsentation des Vortrags von Frau Linda Briendl (pdf-file) finden Sie hier