Christoph Moellers: Bericht aus Singapur (1)
Der Auslandschweizer Christoph Moellers hat uns am 1.4.03 einen interessanten Brief über die aktuelle Lage in Singapur geschickt, den wir unseren Lesern nicht vorenthalten wollen.
Im Moment bekomme ich wahnsinnig viele Mails zum Thema SARS. Deswegen hier mal etwas mehr Infos "von der Front":
Die allgemeine Lage ist so, dass in Singapur bis jetzt 3 Leute gestorben sind, und 945 Personen befinden sich in Quarantäne. Hunderte mehr wurde aufgefordert, zu Hause zu bleiben. Statistisch gesehen ist das wenig, denn hier leben immerhin 4.5 Millionen Menschen. Aus diesem Grunde habe ich mir bis jetzt auch keine oder nur wenig Sorgen gemacht. Seit ich aus Australien zurück bin, scheint sich die Lage aber etwas zuzuspitzen:
Am Flughafen ist für alle Angestellten ein Atemschutz Pflicht, und die meisten Reisenden halten es ebenso. In den Spitälern ohnehin. Seit gestern kann man Singapur nur noch nach erfolgter Gesundheitsprüfung betreten oder verlassen. Das heisst, dass am Flughafen Krankenschwestern kurze Checks an jedem Reisenden vornehmen, der ankommt oder abreist. Wer Fieber hat, wird sofort und bedingungslos 10 Tage unter Quarantäne gestellt.
Auch in der Stadt laufen die Leute mit Masken herum. Wenn sie überhaupt herumlaufen. Am Wochenende war es nämlich schon fast geisterhaft leer. Das heisst nicht, dass kein Mensch mehr was unternimmt, aber für lokale Standards sind es nur noch sehr wenige. Das Positive: man findet in jedem Café problemlos Platz, die U-Bahn ist fast leer und es herrscht kein Gedränge auf dem Gehsteig. Am allerbesten: wer sich bedrängt fühlt, fängt etwas an zu hüsteln und – schwuppdiwupp – hat man seinen Frieden. Alle Schulen wurden bis zum 6. April geschlossen, und bereits jetzt ist die Diskussion im Gange, ob diese Schliessung verlängert werden soll. Selbst Firmen scheinen in einigen Fällen Ihre Angestellten von zu Hause aus arbeiten zu lassen, sofern das möglich ist.
Alles in allem kann man wohl sagen, dass mit der Lage nicht zu scherzen ist, aber es ist auch nicht so, dass die Leute hier wie tote Vögel von der Stange kippen. Die gefährdeten Gruppen sind scheinbar Reisende und Gesundheitspersonal. Dazu kommen nach meiner Ansicht auch alle, die in Gebäuden mit "central airconditioning" arbeiten.
In meinem Job geht"s nicht ganz ohne Reisen, aber ich habe alles verschiebbare vorerst mal abgesagt. So werde ich lediglich morgen nach Thailand (und noch selbentags oder am Tag drauf wieder zurück nach Singapur) reisen. Und – sollte unser regionales Meeting nächste Woche in Manila stattfinden – würde ich am Montag für eine Woche auf die Philippinen gehen. Dort gibt es weniger SARS Fälle, es müsste also relativ sicherer sein als hier.
Ich glaube immer noch nicht, dass ich mir grosse Sorgen machen muss, denn es ist ja auch nicht so, dass alle SARS Fälle unweigerlich sterben – die Mehrheit wird wieder gesund. Mir fällt unweigerlich das Thema "Schweizerhalle" ein. Bei dem Brand 1986 dachten auch alle, die nicht in Basel oder in der Umgebung lebten, sie müssen Notportionen senden und/oder ihre Freunde evakuieren. Insofern könnte es auch sein, dass die Medien – mit Worten wie "Killervirus" oder "Killergrippe" – die Furcht der Bevölkerung unnötig anheizen.
Am schlimmsten werden wohl die ökonomischen Auswirkungen werden: ausbleibende Touristenströme, noch schlechter ausgelastete Airlines, freie Hotelkapazitäten, etc. Das ist wohl nicht unbedingt das, was die ohnehin schon angeschlagene Weltwirtschaft nun braucht. Aber wir können"s alle nicht ändern. Insofern also vielen Dank für die zahlreichen guten Wünsche. Ich passe in der Tat auf mich auf, und "no news is good news".
Liebe Grüsse und alles Gute
Christoph Moellers
PS: nächster Bericht vom 5.4.03 ist online