Virulentes HIV – oder wenn „the media turn mad“

Im Moment kursieren die wildesten Medienmitteilungen betreffend eines wild gewordenen HIV-Virus. Was ist an der Sache?

Letzte Woche hat das Städtische Gesundheitsamt von New York City eine Medienmitteilung veröffentlich, welche zu den verrücktesten Spekulationen führte. Die Schweizerische Depeschenagentur sprach in ihrer Mitteilung vom 13.2. vom Super-AIDS-Virus. Der Blick titelte „Resistenter HI-Virus entdeckt“.

Was ist an der Geschichte? Eigentlich nicht sehr viel. Es muss sich um eine Kombination von zwei relativ seltenen Ereignissen handeln. Von einem Super-Virus zu sprechen scheit doch etwas überspitzt.

Bei einem homosexuell aktiven Mann wurde eine HIV Infektion diagnostiziert. Besonderst daran war, dass der Mann erst vor wenigen Monaten infiziert wurde (hatte zuvor einen negativen HIV-Test) und dass innert weniger Monate das Immunsystem so stark zerstört wurde, dass eine AIDS-definierende Erkrankung auftrat. Eine solche rasche Progression ist äusserst selten, wurde aber früher auch schon beobachtet. Die zweite ungewöhnliche Begebenheit ist, dass dieser Mann mit einem Virus infiziert wurde, welches gegen die drei wichtigsten Medikamentenklassen resistent ist. Auch das ist äusserst selten, unseres Wissens wurde in der Schweiz erst ein solcher Fall dokumentiert (Hasse et al, Praxis, 2003).

Die sexuelle Übertragung von resistenten Viren kommt natürlich vor. Allerdings wird sie etwas seltener beobachtet als man aufgrund der Häufigkeit von solchen Mutationen erwarten würde. Man geht davon aus, dass resistente Viren (in der überwiegenden Mehrzahl) weniger „fit“ sind. Das heisst, sie werden auch seltener sexuell übertragen (s. dazu die Arbeit von Yerly et al. aus der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie).

Die Pressemeldungen suggerieren, dass es sich bei diesem Virus um ein ganz speziell aggressives Virus handelt. Doch wir wissen schon einige Zeit, dass der Verlauf der HIV-Infektion durch das Zusammenspiel von Virus und Wirtszelle ergibt. Effektiv entscheidet im Wesentlichen die genetische Veranlagung, wie der Verlauf einer HIV-Infektion ausfällt. Eine Arbeit aus dem Jahre 1999 (Magierowska et al, Blood, 1999) zeigte, dass alleine die Präsenz oder das Fehlen von 6 HLA-Genotypen und 3 Chemokin-Rezeptor Genen 70-80% der Krankheitsprogression erklärt. 

Es ist somit auch in diesem Falle wahrscheinlich, dass es sich nicht um ein besonderes Virus handelt. Es scheint eine sehr seltene Kombination von unwahrscheinlichen Ereignissen zu sein. Was das Gesundheitsamt von New York dazu bewegt hat, an die Medien zu gelangen, hat vermutlich einen andereren Grund. Der betroffene Mann mit dem multi-resistenten HIV hatte mit sehr vielen anderen Männern risikoreiche, ungeschützte Sexualkontakte. Es besteht das berechtigte Risiko, dass das multiresistente Virus noch auf andere Menschen übertragen worden ist. Da wir für solche Viren heute kaum eine wirksame Therapie haben, muss die weitere Übertragung des Virus besonders aktiv verhindert werden.  

Einmal mehr gilt: Use condoms – stop Aids!