Vogelgrippe: Ganz so schnell kommt die Pandemie doch nicht

Zahlreiche Medien (z.B. ZDF, yahoo ) berichten über die drohende Gefahr durch die Vogelgrippe. Doch die Medienmeldungen müssen etwas korrigiert werden.

Die Gefahr geht nicht direkt von der Vogelgrippe aus. Unter Grippe im eigentlichen Sinne verstehen wir eine Infektion mit dem Influenza-Virus. Das Influenza-Virus, das sich bei den Vögeln findet, unterscheidet sich etwas von demjenigen beim Menschen. Der kleine Unterschied erklärt, weshalb bisher nur einzelfälle von "Vogelgrippeviren" bei Menschen beobachtet wurden (30 Fälle in Thailand 2004, 9 Fälle bis am 20. Januar 2005, Quelle: Promed).

Das Virus muss, um Tier oder Mensch anzufallen, ein Oberflächenmerkmal der Menschlichen Zelle im Rachenraum erkennen. Dies erfolgt durch eine chemische Bindung, welche im Prinzip gleich ist beim Vogel wie beim Menschen. Es handelt sich um eine Bindung zwischen dem Virusprotein Hämagglutinin und der Sialinsäure der Menschlichen Zelle. Diese Sialinsäure ist mit Zuckerresten verbunden. Der Unterschied zwischen Vögeln und Menschen besteht darin, daSialicAcidss diese chemische Verbindung nicht zwischen den zwei gleichen Atomen der beiden Moleküle liegt. Beim Vogel spricht man von einer Alfa-2,3-Bindung und beim Menschen von einer alfa-2,6-Bindung (Abbildung). 

Nun ist es so, dass das Influenza-Virus der Vögel viel besser an die 2,3 Bindung der Sialinsäure bindet als an die menschliche 2,6-Form. Wenn nun einmal – bedingt durch den nahen Kontakt zwischen Vögeln und Menschen ein Vogelvirus auf den Menschen übertragen wird, so kann dieses zwar krank machen, doch die Chance, dass es auf einen anderen Menschen übertragen wird ist sehr gering und somit eine Epidemie praktisch ausgeschlossen. Das Problem liegt bei einem anderen Haustier, dem Schwein. Dieses hat auf seiner Schleimhaut-Oberfläche beide Sialinsäure Bindungen (2,3 und 2,6). Damit ist das Schwein für Viren der Vögel empfänglich und kann gleichzeitig auch an den Menschen adaptierte Viren vermehren.

Da eine einzige Punktmutation im Virus genügt, um das Virus für die 2,6-Bindung zu optimieren (Subbarao, et al, JVirol 1993), kann beim Schwein nun der Wechsel von der Vogelgrippe auf ein Mensch-adaptiertes Grippevirus erfolgen. Dann hätten wir es tatsächlich mit der seit Jahren schon fälligen Influenza-Pandemie zu tun. Die aktuelle Häufung von neuen Vogelgrippefällen bei Menschen in Thailand (es handelt sich um das sog. H5N1-Influenza-Virus) macht eine Influenza-Pandemie in den nächsten 1-2 Jahren sehr wahrscheinlich.

Pandemien sind Epidemien, welche die ganze Welt betreffen. Die letzte Grippe-Pandemie (1968) hat innert 8 Wochen die ganze Welt umspannt. Heute dürfte dies noch schneller gehen (Flugverkehr!). Ob die Folgen einer Pandemie mit H5N1 so schwer sein werden,  wie bei der "Spanischen Grippe" 1918, lässt sich nicht abschätzen, doch vermutlich kaum.

Behörden, Infektiologen und Virologen in der Schweiz wie auch in anderen Ländern bereiten sich sorgfältig auf eine solche Pandemie vor. Notwendig werden Medikamente, doch es gibt zur Zeit kaum genug davon, um 1.5% der Schweizer Bevölkerung zu schützen. Wir werden somit auch mit Isolationsmassnahmen versuchen müssen, die Folgen einer Influenza-Pandemie in Grenzen zu halten.

Vergleichen Sie dazu auch unseren Bericht vom Meeting "Challenge in Virology" vom 14-16. Januar 2005 oder auch den Vortrag von Dr. G. Eich an unserem 9. Infekttag 2004 (s. auch Zusammenfassung).

Eine noch etwas weniger aktuelle Information des Bundesamtes für Gesundheit vom 7.1.05 als pdf-file