11. Mai 2018

Tularämie/Hasenpest – nur eine Zeitungsente?

In den letzten Wochen mehren sich die Zeitungsartikel über die sog. Hasenpest oder Tularämie, eine Infektionskrankheit, die durch den sehr ansteckenden, gramnegativen Erreger Francisella tularensis übertragen wird: „Menschen erkranken zunehmend an Hasenpest“ [NZZ 18.04.18], „Hasenpest bedroht auch die Ostschweiz“ [FM1 Today 18.04.18] oder „Für Menschen tödliche Hasenpest auf Vormarsch“ [20 Minuten 27.03.2018]. Unter anderem wurde auch von einer Joggerin berichtet, die von einem Mäusebussard angegriffen, am Kopf verletzt wurde und folglich an Fieber, Kopfschmerzen und einer Lymphknotenschwellung am Hals erkrankte, woraufhin eine ulzeroglanduläre Form der Tularämie diagnostiziert und mit Gentamicin und Ciprofloxacin erfolgreich behandelt wurde. Es wird vermutet, dass der Greifvogel vorher ein Nagetier geschlagen hat und daher die Bakterien an den Klauen und/oder am Schnabel mit sich trug und so die Frau ansteckte.

Tatsächlich sind die Fallzahlen der meldepflichtigen Erkrankung steigend, wie auch in einem aktuellen BAG-Bulletin (18/18) zu lesen ist: seit 2015 ist ein Anstieg der Fallzahlen zu verzeichnen mit einem Mittelwert von 31 Meldungen/Jahr in den Jahren 2010-2016 auf den aktuellen Höchststand von 129 Fällen im Jahr 2017. Die Melderaten stiegen u.a. in den Kantonen Zürich, Aargau, Solothurn und auch in St. Gallen deutlich an. 60% der Erkrankungen werden der glandulären Form zugeordnet und ein Grossteil der Übertragungen ist – entgegen dem populären Namen „ Hasenpest“- durch Zecken bedingt. Über die Ursache der steigende Fallzahlen lässt sich vorerst nur spekulieren: eine erhöhte Bekanntheit (der immer noch seltenen Krankheit) in Ärztekreisen mit folglich mehr Diagnosen, eine häufigere Anwendung von serologischen Testungen und/oder breitere Erregersuche mittels PCR, ein (aufgrund der Klimaerwärmung) erhöhtes Überleben der Zecken mit vermehrter Übertragung oder auch vermehrte Freizeitaktivitäten von Menschen in ländlichen Gebieten.

Auch unsere Erfahrungen und Beobachtungen decken sich mit obigen Zahlen: vermehrt sind wir mit der (Verdachts-)Diagnose der Tularämie im ganzen Kanton St. Gallen konfrontiert. Auffällig ist – bei jedoch insgesamt doch noch kleiner Fallzahl – eine Häufung von Tularämiefällen in den Bezirken Sarganserland und Werdenberg, wovon wir in einer (noch nicht publizierten) Fallserie berichten werden.

Entgegen der Panik in den Medien („für Menschen tödliche Erkrankung“) ist die Tularämie in unseren Breitengraden mit der Subspezies holarctica zwar eine teilweise lästige, aber kaum tödliche Krankheit. Dies entgegen den USA und Kanada, wo vorwiegend die Subspezies tularensis vorkommt, die unbehandelt auch zum Tode führen kann und daher auch als potentielle Biowaffe eingestuft wird. Die Tularämie wird neben Zecken- und Mückenstichen auch durch Kontakt mit befallenen Nagetieren und deren Kadavern, über kontaminierte Nahrung und Wasser und Inhalation von kontaminiertem Staub (bspw. beim Rasenmähen) übertragen. Die Krankheit äussert sich mit Allgemeinbeschwerden, Fieber und je nach Verlaufsform mit anderen klinischen Zeichen: bei der glandulären und ulzeroglandulären Form mit lokaler und ulzerierender Lymphknotenschwellung, bei der pulmonalen Form mit Zeichen einer Pneumonie oder Knoten auf der Lunge, bei der oropharyngealen und gastrointestinalen Form mit entsprechenden Hals- und Verdauungsbeschwerden, bei der okkuloglandulären Form mit entzündlicher Konjunktivitis und bei der systemischen/typhoidalen Form mit Zeichen einer Sepsis. Die Diagnose wird bei entsprechender Anamnese mit Tierkontakten oder Zeckenstichen und klinischem Verdacht mittels Serologie, PCR oder direktem Nachweis aus dem Blut oder (Lymphknoten-)Biopsien gestellt. Die Behandlung ist, je nach Verlaufsform und Schweregrad der Erkrankung, mit Aminoglykosiden, Ciprofloxacin oder Doxycyclin möglich. Bei eitrigen Lymphknotenschwellungen ist oftmals auch ein chirurgischer Eingriff nötig. Gefährdete Personen sind alle, die sich öfter draussen aufhalten, v.a. auch Bauern, Jäger, Wildhüter oder (Nage-)Tierzüchter.

Prävention ist, wie meistens, am besten: zwar ist keine Impfung auf dem Markt erhältlich, doch kann man sich mit einfachen Verhaltensmassnahmen schützen: Zeckenschutz (lange Kleidung, Repellentien) und Kontrolle nach Zecken nach Aufenthalt in Wald/Wiesen und keine ungeschützten Kontakte zu toten Tieren (v.a. Hasen, Mäuse etc.).

Zusammenfassend: In der Schweiz sehen wir zwar eine deutliche Zunahme von Tularämiefällen, aber glücklicherweise ist bei uns die Subspezies holarctica beheimatet, die eine meist milde Erkrankung hervorruft. Diese wird gelegentlich sogar auch mal nicht diagnostiziert, da sie oft auch selbstlimitierend ist. Und wenn eine glanduläre oder ulzeroglanduläre Form auftritt, ist diese auch meist gut therapierbar. Der Medienhype ist also, wie so oft, auch einfach aufgebauscht.

Foto von Smudge 9000

Lesen Sie hierzu auch im BAG Bulletin 30. April 2018