5. Oktober 2016

Wer wagt gewinnt – Betalactam trotz Allergieanamnese

Eine berichtete Allergie auf Betalactamantibiotika ist häufig und führt oft unnötigerweise dazu, dass diese Antibiotika bei Patienten, die sie tolerieren würden, gemieden werden. Das darf nicht sein! Eine Studie aus Kanada liefert weitere Evidenz dafür, dass eine akkurate Allergieanamnese und Abklärung gerechtfertigt ist. Denn werden indizierte Betalactamantibiotika unnötig gemieden, ist das klinische Outcome der Patienten schlechter.

 

Methodik der Studie

In Kanada wurde an drei Universitätsspitälern eine prospektive Kohortenstudie bei stationären Patienten durchgeführt, die konsiliarisch durch Infektiologen beurteilt wurden, um das Ausmass und die klinischen Folgen von berichteten Betalactamallergien zu evaluieren. Zu den Betalactamantibiotika werden Penicilline, Cephalosporine und Carbapeneme gezählt. Der primäre Endpunkt war ein kombiniertes Outcome bestehend aus Rehospitalisationen für dieselbe Infektion, akuter Niereninsuffizienz, Clostridium difficile-Infektionen und Medikamenten-assoziierten Nebenwirkungen.

Resultate

507 Patienten wurden eingeschlossen. Davon gaben 95 (19%) eine Betalactamallergie an. Bei 72 Patienten (76%) wäre ein Betalactam indiziert gewesen. Bei 25 (35%) dieser Patienten wurde trotz Indikation für ein Betalactam jedoch keines verabreicht, auch wenn 13 (52%) keine schwere Allergie berichtet hatten. Verglichen mit Patienten ohne Allergie hatten Patienten, bei denen wegen einer Allergieanamnese auf ein Betalactam verzichtet wurde, ein dreifach erhöhtes Risiko für ein unerwünschtes Ereignis (adjustierte Odds Ratio 3.18; 95% Konfidenz-Intervall 1.28-7.89). Hingegen hatten Patienten, bei denen ein Betalactam trotz Allergieanamnese verschrieben wurde, ein ähnliches Risiko für das Eintreten eines unerwünschten Ereignisses im Vergleich zu nicht-allergischen Patienten (adjustierte Odds Ratio 1.33; 95% Konfidenz-Intervall 0.62-2.87).

Schlussfolgerung

Die Autoren folgern demnach, dass das Meiden von Betalactamantibiotika bei Patienten, die über eine Allergie berichten, assoziiert ist mit einem höheren Risiko für unerwünschte Ereignisse. Die mutige Verabreichung eines Betalactams könnte sich also trotz Allergieanamnese lohnen, denn in dieser Studie hatte nur 1 Patient aufgrund einer schwergradigen Allergieanamnese eine Kontraindikation für eine Allergietestung und aufgrund von früheren Studien hätten 22 der 24 übrigen Patienten ein Betalactam durchaus toleriert. Idealerweise würde eine Abklärung von Betalactamallergien bei stationären Patienten durchgeführt werden, damit Betalactame sicher verabreicht werden könnten. Neben einer akkuraten Anamnese können Penicillin-Hauttests und/oder eine stufenweise Exposition unter medizinischer Beobachtung weiterhelfen. Allerdings ist hier das effizienteste und effektivste Vorgehen unklar.

 

UNSER FAZIT:

Bitte bei Allergieanamnese immer nochmal nachfragen. Wenn die Allergie nicht richtig erinnert wird, und viele Jahre zurückliegt, dann ist es sicher keine Anaphylaxie gewesen, und deshalb kann man in solchen Fällen fast immer wagen ein Cefalosporin zu geben. Unverträglichkeiten wie z.b. „mir wurde schlecht“ oder „ich habe Durchfall bekommen“ berichten die Patienten ebenfalls als Allergie, aber hier liegt keine Allergie vor, in diesen Fällen kann auch das Penicillin wieder gegeben werden!