Zuverlässiger 20min-HCV-Antikörper-Schnelltest mit Fingerblut oder Speichel

Während ein HIV-Schnelltest innert 15 Minuten bereits Routine ist, waren HCV-Schnelltests wegen zu geringer Sensitivität bislang verpönt. Der HCV-Schnelltest OraQuick wurde in 2 grossen Studien validiert und ist nun in Europa und den USA zugelassen.

WHO-Schätzungen zufolge gibt es in Europa ca. 10 und in den USA ca. 4 Millionen HCV (Hepatitis C Virus)-Infizierte (weltweit 170 Millionen bzw. 3% der Weltbevölkerung). Bei einem Grossteil der Betroffenen ist die HCV-Infektion undiagnostiziert und somit einer Therapie nicht zugänglich, welche das Virus dauerhaft eliminieren und somit eine Progression zu dekompensierter Leberzirrhose und HCC (hepatozellulärem Karzinom) verhindern könnte. Patienten in Drogensubstitutionsprogrammen (mit früherem oder aktuellen i.v.-Drogenkonsum) sind bzgl. HIV und HCV eine Hochrisikogruppe, weshalb die Schweizerische Gesellschaft für Suchtmedizin (SSAM) bei Seronegativen ein jährliches Screening empfiehlt (Bruggmann, SMF 2007). Bislang fehlte ein zuverlässiger HCV-Schnelltest unter Verwendung von kapillärem Vollblut, so dass für die HCV-Antikörper-Testung immer eine venöse Blutentnahme nötig war. Katastrophale Venenverhältnisse haben die Testung erschwert, wenn nicht gar verhindert.

Seit kurzem ist in Europa und den USA ein HCV-Antikörper-Schnelltest namens OraQuick zugelassen. Dieser liefert vor Ort, unter Verwendung von Fingerblut oder Speichel (daher der Name), ohne zusätzliches Equipment (wie z.B. Zentrifuge) innert 20 Minuten ein Resultat und steht bezüglich Sensitivität/Spezifität dem im Labor mit venös entnommenem Blut (Serum/Plasma) durchgeführten EIA (enzyme immuno assay) in nichts nach. Kürzlich wurden 2 grosse Studien zur Validierung des Tests publiziert:

Studie 1: Lee SR, Journal of Clincial Virology 2010;48:15-17
Studie 2: Lee SR, Journal of Virological Methods 2011;172:27-31

Wie funktioniert der Test?
Grundsätzlich eignet sich der Test für 5 verschiedene Materialien: venöses Vollblut, Serum, Plasma, Fingerblut und Speichel, wobei die beiden letztgenannten am interessantesten sein dürften, da keine Zusatz-Ausrüstung nötig ist.

Der OraQuick-HCV-Antikörper-Schnelltest basiert auf einem indirekten Immunoassay, welcher HCV-Antikörper in Blut und Speichel detektieren kann. Antigene der Core-, NS3- und NS4-Region des HCV-Genoms sind auf einer einzelnen Bande eines Nitrozellulose-Streifens fixiert. Werden HCV-Antikörpern gebunden, färbt sich die Bande rot. In einer Kontrollbande werden humane IgG detektiert. Fingerblut wird mittels einer Öse in eine Entwicklerlösung transferiert, mit welcher die Probe in das Test-Kit transportiert wird. Nach 20 Minuten kann das Resultat abgelesen werden.

Link OraSure (Hersteller-Firma)

Studie 1:
Die Sensitivität und Spezifität des neuen OraQuick-HCV-Schnelltests wurde für jeweils 5 verschiedene Probenmaterialien (Serum, Plasma, venöses und Fingerblut sowie Speichel) von 122 HCV-Positiven und 450 Niedrig-Risiko-Personen mit unbekanntem HCV-Serostatus untersucht. Als Goldstandard dienten die gegenwärtig verfügbaren HCV-Labortests. Dabei galt als HCV-positiv, wer entweder EIA (enzym immmuno assay)- und RIBA-Immunoblot-positiv oder EIA- und PCR-positiv war.

Bei 121 der 122 HCV-Positiven war der OraQuick-HCV-Schnelltest für alle 5 Probenmaterialien richtig positiv (Sensitivität: 121/122 = 99,2%). Bei einem einzigen HCV-Positiven fiel lediglich die Speichelprobe mit OraQuick falsch negativ aus, während die 4 übrigen Materialien positive Resultate ergaben (EIA schwach positiv, Immunoblot positiv, PCR negativ). Unter den 450 Niedrigrisiko-Personen wurde eine Person sowohl mit OraQuick als auch mit EIA als HCV-positiv identifiziert (bestätigt durch Immunoblot und PCR). Bei den verbleibenden 449 HCV-Negativen lieferte OraQuick in einem Fall für Serum und Plasma falsch positive Resultate (Immunoblot und PCR negativ), für die übrigen Probenmaterialien aber richtig negative Resultate (Spezifität: 448/449 = 99,8%). Für die verschiedenen Materialien ergeben sich somit folgende Sensitivitäten und Spezifitäten (mit 95% CI):

Schliesslich wurde noch die Sensitivität bzgl. anti-HCV-Serokonversion in 19 kommerziell erhältlichen Panels von sequentiellen Plasmaproben frisch Infizierter getestet. Bei 9/19 Panels wurden HCV-Antikörper mit OraQuick und EIA gleichzeitig detektiert und bei 10/19 Panels gelang der Antikörper-Nachweis mit OraQuick sogar früher (im Mittel mit EIA nach 61,3 und mit OraQuick nach 56,4 Tagen, d.h. mit OraQuick durchschnittlich 4,9 Tage (95% CI: 1,4-8,3) früher).

Studie 2:
In einer unverblindeten Multizenterstudie an 8 verschiedene Zentren für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie wurden 2206 Patienten (55% Männer; 51% Afro-Amerikaner, 34% Kaukasier) mit Hepatitis-Symptomen (5,6%) oder Risiko für eine HCV-Infektion (37% i.v.-Drogenkonsum, 38% HIV-positiv) gleichzeitig mit dem OraQuick-HCV-Schnelltest und mit etablierten Labormethoden (EIA, Immunoblot, PCR) untersucht. Als HCV-positiv galt, wer EIA- und Immunoblot- oder EIA und PCR-positiv war. Patienten mit indeterminantem Immunoblot und negativer PCR wurden von der Sensitivitäts- und Spezifitätsanalyse ausgeschlossen. Insgesamt wurden 757 (34%) als HCV-positiv und 1426 (65%) als HCV-negativ klassiert. 23 (1%) waren bei indeterminantem Immunoblot und negativer PCR nicht klassifizierbar.

Wie die unten stehende Tabelle zeigt, lag die Spezifität des OraQuick-HCV-Schnelltests für alle 5 Probenmaterialien (Serum, Plasma, venöses und Fingerblut sowie Speichel) bei 99,6-99,9%. Die Sensitivität betrug für Serum, Plasma, venöses und Fingerblut 99,7-99,9% und war für Speichel mit 98,1% etwas tiefer. Von den 12 HCV-Positiven mit falsch negativem OraQuick-HCV-Schnelltest im Speichel waren 4 HCV-RNA positiv.

In der untersuchten Population mit hoher HCV-Prävalenz von 34% zeigte der OraQuick-HCV-Schnelltest unter Verwendung von Fingerblut einen positiven und negativen prädiktiven Wert (PPV und NPV) von 99,9%. Unter Verwendung von Speichel waren der PPV mit 99,3% und der NPV mit 99,0% etwas tiefer.

Daneben wurde die Test-Performance im Speichel unter verschiedenen Bedingungen untersucht. Sie war sowohl bzgl. positiven als auch negativen Testresultaten durch Gingivitis (Zahnfleischbluten), das Tragen einer Zahnprothese (muss vor dem Abstrich entfernt werden), Trinken von Orangensaft, Milch oder Whiskey, Essen von Müsliriegel sowie Rauchen unbeeinflusst (5 Minuten Wartezeit). Nach sauren Getränken wie Coca-Cola sollte jedoch 15 Minuten und nach Anwendung von Mundpflegeprodukten (Mundwasser, Zähne putzen, Zahnweisser) 30 Minuten mit der Speichelprobenentnahme gewartet werden, da sonst vermehrt falsch positive Resultate zu erwarten sind.

Auch wurden nochmal 27 kommerziell erhältliche Panels von sequentiellen Plasmaproben frisch Infizierter mit der Frage nach Sensitivität bzgl. anti-HCV-Serokonversion untersucht. In 19/27 Fällen wurde die Serkonversion mit dem OraQuick und EIA gleichzeitig detektiert. In 6 Fällen war OraQuick und in 2 Fällen EIA schneller positiv (maximal 7 Tage Differenz; im Mittel EIA nach 47,0 und OraQuick nach 46,4 Tagen positiv).

Conclusion:
Mit OraQuick steht nun ein erster zuverlässiger, in Europa und den USA zugelassener, HCV-Antikörper-Schnelltest zur Verfügung, welcher unter Verwendung von Fingerblut mit >99% Sensitivität und Spezifität innert 20 Minuten vor Ort ein Testresultat liefert. Gerade bei i.v.-Drogenkonsumenten mit prekären Venenverhältnissen dürfte dies die HCV-Testung vereinfachen, was die SSAM-Empfehlung zur jährlichen Testung Seronegativer praktikabel macht.

Quellen:
1)
Lee SR, Journal of Clincial Virology 2010;48:15-17
2) Lee SR, Journal of Virological Methods 2011;172:27-31

Zum Weiterlesen:
Auch an einer Bestimmung von HCV-RNA und -Genotyp aus kapillärem Vollblut (Filterpapier-Methode) wird gearbeitet: Fingerpieks => 3 Tropfen Blut => gesamte HCV-Diagnostik (Serologie, RNA und Genotyp)