Influenzaviren und Resistenzentwicklung: ein schwieriges Thema

Ende März 2009, drei Wochen vor den ersten Berichten über die „mexikanische“ A/H1N1-Influenza, erschien im CID ein Artikel mit Überlegungen zum Umgang mit Grippemedikamenten: könnte die leider allzu bekannte Problematik der Resistenzentwicklung besser als in der Vergangenheit angegangen werden?

Um was geht es dabei?
Unser Arsenal gegen Influenzaviren ist klein:

  • Prophylaktisch können wir Hygienemassnahmen und Impfungen (sobald verfügbar) einsetzen.
  • Therapeutisch kennen wir zwei Medikamentengruppen:
    •  M2 Ionenkanalblocker (Amantadin und Rimantadin) und
    •  Neuraminidasehemmer (Oseltamivir und Zanamivir )

Bei beiden Medikamentengruppen kommt es bereits durch einzelne Mutationen zu Resistenzbildungen. Bei den M2 Ionenkanalblockern ist bekannt, dass sie gegen Influenza B wirkungslos sind. Bei Influenza A gilt aktuell, dass Amantadin bei der H3N2 und bei der „mexikanischen“/neuen H1N-Variante resistent, aber bei der saisonalen H1N1-Variante während der Wintersaison 08/09 sensibel war/ist.

Bei den Neuraminidasehemmern gilt: Oseltamivir-resistente Viren bleiben „üblicherweise“ Zanamivir-sensibel, da die häufigste Mutation (H274Y) lediglich bei Oseltamivir die Fähigkeit, in der Nähe der Neuraminidase anzudocken, beeinträchtigt. Bei der saisonalen H1N1-Variante wurde in den USA im Dezember 2008 ein hoher Anteil von Osteltamivirresistenz festgestellt. Zudem konnte weltweit in einzelnen Fällen Resistenz von A/H3N2 und in 2 dokumentierten Fällen auch Resistenz vo A/H5N1 (unter Therapie) dokumentiert werden, sowie vereinzelt Resistenz gegen Influenza B (in 2 Fällen auch gegenüber Zanamivir).

Ist das überraschend?
Nein, argumentieren die Autoren. Überraschend sei das durchaus nicht, da Influenzaviren eine sehr hohe Mutationsrate aufweisen. Überraschend sei für sie hingegen der ausgedehnte Einsatz dieser Medikamente als Monotherapie in Prophylaxe und Therapie. Andere rasch mutierende RNAVirus-Infektionen würden „sonst“ mit einer Multitherapie behandelt, um die Entwicklung von medikamentenresistenten Quasispecies zu verhindern, den Mutationsdruck zu reduzieren und den Benefit der einzelnen Substanzen zu erhalten. Gewiss sei ein solches Risiko grösser bei länger anhaltenden Infektionen (wie Hepatitis B und C, HIV). Aber bei Influenza könne eine solche Entwicklung durch die grosse Zahl derer stattfinden, die die Medikamente zur (längerzeitigen) Prophylaxe oder Therapie erhielten, speziell Kinder und Immunkompromittierte, die das Virus über längere Zeit ausscheiden können und bei denen die Transmission von Quasispecies dokumentiert worden sei.

Ja, aber was schlagen die Autoren vor?
Ihr Vorschlag: ein Trio bestehend aus

  • „point of care“-testing (mit schneller und preisgünstiger Virus-Subtypisierung)
  • „bessere“ Algorythmen für den Einsatz dieser Medikamente
  • Einsatz von „mindestens zwei der Anti-Grippe-Medikamente möglichst mit verschiedenen Wirkmechanismen“

Und wie sind die Umsetzungsmöglichkeiten?

  • zum „point of care“-testing: wünschenswert wäre z.B. ein schneller, günstiger , sensitiver und spezifischer Schnelltest möglichst mit Differenzierung der „relevanten“ Subtypen (wohl auch in Zukunft inklusive A/H1N1) allemal. Doch leider sehen wir, wo wir aktuell (noch) stehen.
  • bei „besseren“ Algorythmen wird daran gedacht, lediglich Patienten zu behandeln, die lebensbedrohliche Komplikationen und Infektionen entwickeln könnten (..klingt wie in Analogie zu den Grippeimpfempfehlungen, die in der Schweiz aktuell gelten..). Wahrscheinlich macht das bei der „üblichen“ saisonalen Influenza Sinn. Offenbar gibt es aber Influenzasubtypen, die auch (oder vielleicht gerade) nicht bei den „üblichen Risikopersonen“ schwerwiegende Komplikationen machen; siehe Spanische Grippe, wohl auch Vogelgrippe; und womöglich- wenn sich die mexikanischen Erfahrungen bestätigen- bei A/H1N1. Welcher Algorythmus sollte dort gelten?
  • und die Diskussion um „mindestens“ Duotherapie und die Aufforderung zur Entwicklung neuer Influenzamedikamente klingt  bei der aktuellen Pandemiediskussion sehr akademisch.

Grundsätzlich aber
betonen die Autoren: Impfung gegen saisonale Influenza möglichst aller.

Doch auch hier zu den Umsetzungsmöglichkeiten:
Vielleicht lassen sich angesichts der zusätzlichen Bedrohung durch A/H1N1 in Zukunft mehr Leute gegen die saisonale Grippe impfen. Doch wie sollte die Strategie sein: Impfung von Risikogruppen (ggf. inklusive Kinder wg. „indirekter“ Schutzwirkung?) oder Impfung aller? Und wann kommen Impfungen gegen das neue A/H1N1 (und was ist mit dem aktuell etwas in den Hintergrund gedrängten Studien zur Vogelgrippe?).

Also: es bleiben viele Fragen.

Quelle: Poland et al; CID, 2009; 48:1254-1256