Corticosteroide bei Infektionen – Nützlich oder Schädlich

Die Frage begleitet schon mehrere Generationen von Infektiologen. Es ist an der Zeit, die vorhandenen Daten zu sichten. Diese Arbeit haben sich McGee und Hirschmann aus Seattle gemacht. Ein nuetzlicher Reviewartikel!Wir wissen ja, dass eine Infektionskrankheit das Resultat einer Auseinandersetzung zwischen dem Keim und dem Wirt darstellt. Oft sind die Symptome nicht direkt durch den Keim ausgelöst, sondern sie sind Ausdruck der Immunabwehr des Wirtes gegen den Keim. Diese Immunwabwehr kann auch überschiessend ausfallen und dem Betroffenen mehr Schaden zufügen. Hier sollten die Steroide – so das Konzept – einsetzen: Die Immunsuppression durch Cortisol soll die Immunantwort dämpfen. Doch ist dieser theoretische Ansatz in der Praxis auch tatsächlich hilfreich. Dies kann nur mit sauber durchgeführten, randomisierten Studien untersucht werden. Davon gibt es aber für den Einsatz von Steroiden schon einige, und auch einige Widersprüche.

Der Reviewartikel fasst die zahlreichen Arbeiten zur Wirkung von Steroiden bei Infektionskrankheiten zusammen. Aus unsere Kenntnis der Pathophysiologie der Immunantwort mit ihren wohl geordneten Abläufen von hintereinander ablaufenden Cytokinsytemen lässt vermuten, dass der Einsatz eines einzigen Immunmodulators (hier die Steroide) sehr vom Zeitpunkt des Einsatzes abhängt. Dies dürfte auch dafür verantwortlich sein, dass verschiedene Studien zu unterschiedlichen Resultaten führen.

Die Frage des Steroideinsatzes muss auch für jeden Erreger getrennt betrachtet werden. So hat der Reviewartikel für jede einzelne Infektionskrankheit resp. Erreger die vorhandenen Daten zusammengefasst. Die Datenlage ist nicht für alle Indikationen asugieben, oft ist nur eine Studie vorhanden, doch einige Situationen wurden identifiziert, in welchen ein Einsatz von Steroiden einen klaren Benefit zeigt und andere, in welchen Steroide wohl kontraindiziert sind.

Infektionen, in welchen Steroide das Resultat verbessern:

a) Senkung der Mortalität

  • Bakterielle Meningitis (v.a. Kinder und Pneumokokken-Meningitis bei Erwachsenen, s. Bericht)
  • Meningitis tuberculosa (übereinstimmende Resultate in 6 von 6 Studien!)
  • Perikarditis tuberculosa (klare Resultate, auch Langzeitfolgen verbessert)
  • Typhus (schwere Formen mit Schock oder Bewusstseinstrübung, nur 1 Studie)
  • Pneumocystis jirovecii Pneumonie (alle Studien nur bei HIV-Infektion)

b) Verbesserung der Symptome oder Reduktion von Langzeitschäden

  • Bakterielle Arthritis (rascher Heilung, bessere Beweglichkeit nach 12 Monaten, nur bei Kindern gezeigt)
  • H. Zoster (Einsatz mit Acyclovir, raschere Abheilung, weniger Schmerzen aber kein Effekt auf postherpetischFre Neuralgie)
  • Mononukleose (weniger Halsschmerzen, Müdigkeit, kein Effekt auf Rekonvalenzenzdauer oder Arbeitsfähigkeit)
  • M. Croup (eindeutige Verkürzung von Hosp.- und Symptom-Dauer wenn früh eingesetzt)
  • Pharyngitis, Peritonsillarabszess
  • Cerebrale Cystizerkose (Einzelläsion, ohne antiparasitäre Therapie, reduziert Epi-Anfälle)
  • Lungentuberkulose (Schwere kavitäre Tb: Studien vor Rifampicin oder nur bei HIV-Patienten. Effekt gering, Bronchial-Tb: raschere Heilung, aber nur bei Kindern untersucht, Tb-Pleuritis: bei guter Drainage kein additiver Effekt von Steroiden).

c) Keine Wirkung oder Schaden durch Steroide

  • Akute Bronchiloitis (RSV)
  • Virale hämorrhagische Fieber
  • Schwere Pneumonie
  • Virale Hepatitis (nur HBV untersucht, Verlauf schlechter).
  • Cerebrale Malaria (Verlängerung des komatösen Zustandes und GI-Blutungen)

Für eine Beurteilung der Evidenzlage zu den einzelnen Indikationen verweisen wir auf die Arbeit selbst.

Quelle: McGee, Arch Int Med, 2008