HIV-Therapie: Ist die Grenze für den Therapiebeginn noch aktuell

Der Beginn der HIV-Therapie wird allgemein immer noch bei mässig vorgeschrittener Immunschwäche(CD4 Zellen unter 350) empfohlen. Doch ist diese Grenze noch gerechtfertigt? Europäische Experten finden: NEIN, aber…

Einige führende Experten auf dem Gebiet der HIV-Infektion (Andrew Phillips, Brian Gazzard, Nathan Clumeck, Marcello Losso,  Jens Lundgreen)  haben im BMJ sehr anschaulicht verdeutlicht, weshalb wir in Zukunft immer häufiger auch schon bei höheren CD4 Werten mit einer Therapie beginnen werden.

Weshalb wurde Therapiebeginn verzögert?
Die Zurückhaltung beim Therapiebeginn Ende der 90-er Jahre kam aus der Erkenntnis der häufigen insbesondere langfristigen Nebenwirkungen der Therapie. Ein zweites Argument war auch, dass wir mit der Therapie einfach das Auftreten von Opportunistischen Infektionen verhindern wollten. Damals sahen wir den Zusammenbruch des Immunsystems als einzige Konsequenz der HIV-Infektion die es zu bekämpfen galt. Dieser Effekt war fast ebenso gut, wenn wir die  Therapie erst bei CD4 Werten um 200 anfingen. dennoch, die beiliegende Abbildung zeigt auch, dass selbst bei höhrenen CD4 Werten noch ein zusätzlicher Nutzen vorhanden war.  

Therapieziele haben sich gewandelt
Doch heute wissen wir, dass die HIV-Infektion noch zahlreiche weitere Konsequenzen hat. Die SMART-Studie hat uns gezeigt, dass die HIV-Infektion selbst bei höheren CD4 Zellen noch andere Konsequenzen haben kann. In dieser Studie hatten zahlreiche Patienten ohne Therapie eine Progression von Herz, Leber und Nierenkrankheiten, die wir bisher nicht als HIV-assoziiert betrachtet hatten. Wir erkennen immer mehr, dass die chronische HIV-Infektion zu einer ständigen Aktivierung des Immunsystems führt, und genau diese Aktivierung ist es, welche verschiedene Alterungsprozesse, so auch die Atherosklerose und andere Erkrankungen aktiviert.

Moderne Therapien besser verträglich
Doch ein wichtiges Argument für einen früheren Therapiebeginn ist die  deutlich verbesserte Verträglichkeit der neueren antiretroviralen Medikamente. Damit sind auch die früheren Bedenken betreffend Auftreten von mitochondrialer Toxizität, Lipodystrophie und metabolischen Nebenwirkungen abgeschwächt, auch wenn diese noch nicht vollständig ausgeräumt sind.

Die endgültige Antwort erfordert noch entsprechende Studien
Die Autoren des BMJ Commentary machen klar, dass eine Therapie eigeleitet werden sollte, wenn die CD4 Zahl gegen 350/ul abfällt und der Patient dazu bereit ist. Ganz klar vertreten sie aber auch die Meinung, dass es noch neue Studien braucht, welche das Risiko-Nutzenprofil eines früheren Therapiebeginns untersuchen sollten.       

Quelle: Phillips A, et al, BMJ 2007;334;76-78

An der IAS-Conference in Sydney, welche morgen eröffnet wird, wird eine Arbeit aus Brasilien vorgestellt, in welcher über eine massive Erhöhung der Kardiovaskulären Infektionen bei Patienten mit HIV Infektion berichtet wird. Verpassen Sie nicht unseren Bericht aus Sydney (am besten Sie tragen sich rechts oben auf der Hauptseite für den Newsletter ein).